On Tour 23-GB SCO „Schüttelsuppe“

Glen Nevis Range mit Blick auf Fort William
Glen Nevis Range mit Blick auf Fort William

Wie der Name es bereits sagt, es wird alles, was in einer Gruppe an Resten von Mahlzeiten existiert,  zusammengeschütte(l)t, kräftig umgerührt und neu verteilt. Wer dieses Rezept einmal wirklich ausprobiert hat, wird begeistert sein. Völlig neue Geschmacksvarianten tun sich auf.

Wir titulieren unseren letzten Schottlandabschnitt gleichermaßen, denn wir schütte(l)n verschiedene Regionen Schottlands noch einmal zusammen, Reiseziele, die bisher „übrig“, also unbeachtet geblieben sind. So streifen wir auf der Zielgeraden noch einmal die Nordsee- und die Atlantikküste, tauchen ein weiteres Mal  ein in kahle Highlands und hügelig saftiges Grün, lassen Historisches zu Wort kommen und statten einem weiteren „literarischen Helden“ einen Besuch ab.

 

Bow Fiddle Rock
Bow Fiddle Rock

Zurück an der Nordseeküste nach ausgiebigem Besuch von Edinburgh und Inverness schlägt uns besonders der Küstenstreifen nördlich von Aberdeen über Frazerburgh bis Elgin in seinen Bann. Weite goldgelbe Strände an der Ostküste, schroffe Felsformationen im nördlichen Teil prägen die Landschaft. Besonders prächtig präsentiert sich die Felsbrücke „Bow Fiddle Rock“ beim Fischerdorf Rosehearty. Die „Touristic Route“ treidelt in stetigem Auf und Ab (bis 20% Steigung) oberhalb von Küstenortschaften, die oft nur noch aus einer einzigen, quasi an die Felswände geklebten Häuserreihe bestehen.

Schottlands Nationales Delphinzentrum findet man schließlich kurz vor Elgin. Es hat sich der Erforschung und Arterhaltung dieser Meeressäuger verschrieben. Hier an der Mündung des River Spey in den Moray Firth tummelt sich seit vielen Jahren eine Herde von rund 130 Tieren.

Elgin Cathedral
Elgin Cathedral

Historisches ist in Elgin ebenfalls zu bestaunen. Die dortige Kathedrale stammt aus dem 12.Jh. Die sehr gut erhaltenen heutigen Ruinen vermitteln einen ausgezeichneten Eindruck dieses riesigen, ehemaligen Gotteshauses. Gleich nebenan wird im „Biblischen Garten“ die Geschichte des „Samson & Dalilah“-Dramas erzählt.

Eine weitere Ost-West-Querung durch Schottland führt selbstredend noch einmal durch die Highlands Richtung Fort William. Die Stadt quillt förmlich über von Touristen, gilt sie doch als Tor ins „Glen Nevis“ Bergmassiv.

Glen Nevis Range
Glen Nevis Range

Der „Ben Nevis“ ist mit seinen 1.344m der höchste Berg Englands. Nicht nur Skifahrer finden im Winter hier ihr Paradies, Bergwanderer könne sich gleichermaßen austoben. Als Krönung touristischer Aktivitäten wurden für  Mountainbiker extra gefährliche Strecken ausgewiesen. Wer es gemächlicher mag, der lasse sich in einer Bergbahngondel auf den Gipfel schaukeln, von dort dann im Sessellift noch tiefer ins Bergmassiv „Nevis Range“ hinein.

Prince Bonnie Charlie Monument und Vesammlungsplatz
Prince Bonnie Charlie Monument und Vesammlungsplatz

Bonnie Prince Charly, ein Angehöriger des einstmals mächtigen Stuart-Clans begann in diesem Gebirgsabschnitt beim Dorf Glenfinnan seinen schließlich doch gescheiterten Versuch, die englische Krone „zurück zu erobern“.  Ein Monument erinnert an den „Treffpunkt“ mit den ihm ergebenen schottischen Clan-Kriegern im Jahr 1745. Im vorigen Berichtsabschnitt (On Tour 22 „Ein flotter Dreier“) hatten wir bereits geschildert, dass dieser Traum wenig später, im April 1746, im Inverness nahen Culloden nach einer nur einstündigen Schlacht ausgeträumt war.

Kintyre Halbinsel
Kintyre Halbinsel

„Scenic Argyll Coastal Trail“ heißt die Weiterfahrt nunmehr wieder im Westen am Atlantik immer Richtung Süden. Als Ziel steht die Kintyre Halbinsel mit der berühmten Südspitze auf dem Programm. Hier wurde wiederum schottische (Kirchen-) Geschichte geschrieben. Der bereits mehrmals erwähnte St. Columba setzte 630AD just an diesem Strand, von Irland kommend, seinen Fuß zum ersten Mal auf schottischen Boden. Ein in Felsen gehauener Fußabdruck, der Felsenbrunnen und seine Wohnhöhlen erinnern an dieses Ereignis.

St. Columba's Wohnhöhle
St. Columba’s Wohnhöhle

Unsterblich geworden ist ebenfalls der naheliegende Leuchtturm auf dem Mull of Kintyre (bergige Bergnase) durch den entsprechenden Song von Paul McCartney. Und schließlich der zentrale Ort der Halbinsel, das südliche Campbeltown mit seiner Palmen bestückten Meerespromenade. Sein Ruf war im 19.Jh. berüchtigter, sollen doch nicht weniger als 30 Whisky Distillerien hier das kostbare Getränk produziert haben. Heute arbeiten nur noch drei davon, immer noch genug, um in den örtlichen Pubs eigene „Whisky – Menukarten“ aushängen zu lassen.

Stürmisch im wahrsten Sinne des Wortes ging es dann auf der Weiterfahrt Richtung „The Borders“ zu. Auf der dreistündigen Fährfahrt von der Halbinsel zurück zum Festland (spart rund 200 Autokilometer) schwankte es derart, dass sich nicht nur manches verzehrte, reichhaltige schottische Frühstück schnell wieder einstellte. Sondern das Geschirr und die Speisen am Frühstückstresen machten sich durch die rollenden Schiffsbewegungen mit einem Höllenlärm und sich rasch verbreitenden Düften selbständig, bis schließlich alles auf dem Fußboden zerschellte.

Melrose Abbey
Melrose Abbey

Wieder festen Boden unter den Füßen zieht es uns noch einmal östlich in die englisch-schottische Grenzregion südlich von Edinburgh. Wohl kein Landstrich wurde im Laufe der Geschichte wegen des Dauerzwistes England – Schottland so häufig von kriegerischen Auseinandersetzungen heimgesucht wie diese Region zwischen Schottlands Hauptstadt und dem englischen Carlisle.

Melrose Abbey-Dudelsackschwein
Melrose Abbey-Dudelsackschwein

Ziemlich genau im Zentrum dieser Hügellandschaft liegt das idyllische Städtchen Melrose am River Tweed mit seiner riesigen Abbey (heute eine bestens erhaltene Ruine) aus dem 6.Jh. Die Zisterzienser hatten hier, wie auch noch in den Orten Kelso, Jedburg und Peebles (alle in unmittelbarer Nähe) ein geistiges Zentrum errichtet. Wie so oft vermischten sich Politik und Kirche intensiv. So weist man auch in der Gegenwart noch voller Stolz darauf hin, dass in der Melrose Abbey das mumifizierte Herz des ersten Schottenkönigs, Robert The Bruce begraben liegt. Weder religiös noch politisch sondern einfach nur lustig schaut der in Stein gehauene, Dudelsack pfeifende Schweinekopf von einem Dachfirsten der Abbey auf den Besucher herab.

Warum immer nur schwarze oder weiße Schafe
Warum immer nur schwarze oder weiße Schafe

Unser Hauptziel war jedoch eher literarischer Art, und so peilten wir nach einem kurzen Streifzug durch den innerörtlichen Harmony Garden „Abbortsford House  & Gardens“ an, wenige Kilometer vor den Stadttoren gelegen. Diese weiträumige Anlage bildet so etwas wie eine Pilgerstätte für Freunde der schottischen Literatur. Gewidmet ist sie dem Nationaldichter Sir Walter Scott (1771-1832). Eine der bekanntesten Romanfiguren in unserem Sprachraum ist wohl „Ivenhoe“. Doch er hat eine ganze Bibliothek voller Romane, Novellen und Gedichte geschrieben.  Zu seiner Zeit galten seine Werke als Bestseller. Scotts‘s literarische Produktivität war jedoch nicht nur dem „Genius der freien Entfaltung“ geschuldet.

Sir Walter Scott's Abbotsford House
Sir Walter Scott’s Abbotsford House

Spröde wirtschaftliche Zwänge veranlassten viel eher den Poeten, so viel zu schreiben. Abbortsford House geriert sich als kleines, sündhaft teures Schloss nicht nur vom Kauf sondern auch in der Unterhaltung her. Und so war denn manches Verlagshonorar bereits verpfändet, bevor auch nur das erste Kapitel eines neuen Werkes in Angriff genommen worden war.

Unsterblichen Ruhm hat sich Scott durch die Schaffung der für uns typischen Figur des Schotten erworben: Der Mann im Kilt mit dem Dudelsack unterm Arm, sprich „der edle Kämpfer / The Noble Warrior“. Und es ist ja nicht bei der literarischen Figur geblieben, sondern hat Eingang gefunden in das folkloristische und alltägliche Leben Schottlands. Oder wie stellen Sie sich den typischen Schotten vor?

Bye Bye Scotland!

On Tour 22-GB SCO „Ein flotter Dreier“

Aberdeen – Edingburgh – Inverness

Ölhafen Aberdeen
Ölhafen Aberdeen

Nach der Shetland-Einsamkeit geht es nun wieder hinein ins pulsierende Leben. Die Nachtfähre von Lerwick legt im Morgengrauen in Aberdeen an. Alles erscheint noch wie im Schlaf. Doch bald erwacht in den Straßen das Leben.

Granitenes Aberdeen
Granitenes Aberdeen

Aberdeen ist eigentlich hauptsächlich bekannt als Großbritanniens hauptsächlicher Ölhafen. Dem ist auch so, denn die Anfahrt auf und die Einfahrt in den Hafen ist gesäumt von Raffinerien, Versorgerschiffen für die Ölplattformen nebst den dazugehörigen Industrieanlagen. Also ist Aberdeen eine „häßliche“ Stadt? Mitnichten!

Aberdeen Universität
Aberdeen Universität

Der graue Granit, aus dem die meisten Innenstadthäuser gebaut sind, wirkt wohl saniert. Innenstadtplätze und Straßen laden zum Flanieren ein, besonders die umfangreiche Fußgängerzone. Zahlreiche, gut gepflegte Grünanlagen (z.B. West Burn mit Victoria Park oder Duthie Park) verleihen der Stadt einen Touch von parkähnlichem Aussehen. Und begrenzt wird das Ganze durch den malerischen River Don im Norden sowie dem nicht minder pettoresquen River Dee im Süden. Als betrachtenswertestes Gebäude schält sich die Universität in Old Aberdeen heraus.

Nicht vergessen sollte man einen kurzen Abstecher hinauf zur Aberdeen Torry Battery mit einem hervorragenden Stadtrundblick.

Gen Süden, immer an der Ostküste, also Nordseeküste entlang, führt die gut ausgebaute Küstenstraße (A90, später A92) über Dundee Richtung Edinburgh. Sie nennt sich auch „Golf Küste“. In der Tat grenzt vielerorts ein Golfplatz an den anderen. Hier erfährt man auch, was die Bezeichnung „Golf“ eigentlich bedeutet. Typisch schottisch besagt der Begriff: „Gents only – Ladys forbidden“. Wir wussten es ja schon immer….

Unterwegs lohnt sich ein Stop in Stonehaven mit herrlicher Strandpromenade und grau-steinernem Stadtzentrum. Den Ort Dundee muss man mögen, um dort eventuell länger zu verweilen. Da lockt Edingburgh dann doch zu stark.

Edinburgh-Old Town
Edinburgh-Old Town

Was macht die Stadt so besonders? Wir empfinden es  als Flair: Schottlands Hauptstadt, geschichtsträchtig, unbeschreibliche Altstadt mit der Burg als Krönung, unermessliches Kulturangebot (nicht nur das einzigartige Military Tattoo). Edingburgh – City of Contrasts, wie sie sich auch gern selbst betitelt. Stimmt! Der Old Town steht die New Town gegenüber, wobei unter New Town die Stadtteile aus dem 18./19.Jh. verstanden werden. Völlig kontrastiv zur historischen Architektur zeigt sich das schottische Parlamentsgebäude mit seinem hypermodernen Aussehen.

 

Edinburgh-Schottisches Parlament
Edinburgh-Schottisches Parlament

Firth-of-Forth-EisenbahnbrückeMan gibt sich erfolgreich Mühe, dem Geschichtserbe gerecht zu werden und es auszustellen. Viele Museen und andere Kulturstätten bieten freien Eintritt. Ihre spektakuläre Lage am Firth of Forth mit den beiden Brücken (eine dritte ist im Bau und soll 2016/17dem Verkehr übergeben wrden) rundet das Bild ab. Die angebotenen Stadtrundfahrten lohnen das Geld. Wir haben wieder die „Hop-On-Hop-Off-Version“ gewählt. Für £27 p.P. darf man 48Std. lang alle 5 themenbezogenen Fahrtrouten beliebig oft benutzen, zusätzlich eine 6. Route incl. 90 Min. Bootsausflug auf dem Firth of Forth. Da vergeht die Zeit dann wie im Fluge und man sagt schnell: Schade, dass die zur Verfügung stehende Zeit schon wieder vergangen ist.

Inverness-Fußgängerzone
Inverness-Fußgängerzone

Als „Tor zu den Highlands“ – so präsentiert sich Inverness. Sie liegen dem Besucher direkt zu Füßen. Kaum hat man die Stadt auf der A82 Richtung Loch Ness verlassen, türmen sich die Tausender Gipfel an beiden Seiten hoch, baumlos, grasig-kahl, oft in Nebel gehüllt. Loch Ness zieht allein schon wegen „Nessie“ dem Seeungeheuer ungeheuer viele Touristen an. Zahlreiche Ausflugsboote gehen vollbeladen auf den See hinaus, auf der touristischen Suche nach der Seeschlange. Mit der Fülle ähnlich ergeht es den beiden Castles „Urquhart“ bzw. „Eilean Donan“, gesuchte bis überlaufene Besichtigungsziele, egal bei welchem Wetter.

Inverness Castle
Inverness Castle

Und die Stadt selbst? Angenehm lebendig ohne Gedrängestress wie in Edingburgh. Natürlich überragt ein Castle mit herrlicher Aussicht auf den River Ness die Stadt. Uferwanderwege träumen in stiller Einsamkeit vor sich hin, als Uferwanderweg führt ein mehrere Kilometer langer Trail von bis zur Innenstadt auch über die wunderschönen Flussinseln. Oder aber, wer mag, kann von der Marina aus eine Dolphin Cruise auf dem Moray Firth unternehmen, mit fast 100% Delphinsichtungsgarantie. Inverness zu meiden hieße, Schönes und Wichtiges auszulassen.

nverness-Fußgängerzone
Inverness-Fußgängerzone

 

Wichtig besonders auch deshalb, weil wenige Meilen von der Stadt entfernt, in Culloden schottische Geschichte geschrieben wurde. Allerdings bleibt die Epoche Mitte des 18. Jahrhunderts für Schottland wohl eher ein Trauma, bedeutete sie doch den Untergang der sogenannten „Highland-Clans“.  Nach anfänglichen Siegen einer bunt zusammengewürfelten Schottenarmee unter Führung von dem bereits vorher einmal erwähnten Bonnie Prince Charlie, folgte der „Schwarze Freitag“ (6.Dez.1746), an dem der ewige Erzfeind England die schottischen Truppen bei Culloden (Battlefield Besichtigungen) mal wieder vernichtend schlug. Ein weiteres Mal zerstäubte der Traum von der absoluten Unabhängigkeit! Richtig, so zerklüftet die Highlandregion daher kommt, so zerrüttet verlief Schottlands Geschichte – ein stetiges Auf und Ab.

On Tour 21-GB SCO „Kleinnorwegen – Die Shetland Inseln“

oder: Wo Ziegen, Schafe und Pferde fast die gleiche Größe haben

Typische Shetlandlandschaft
Typische Shetlandlandschaft

Wohin gehören eigentlich diese ca. 100 Inselchen und Inseln, die auf identischen Breitengraden mit Südgrönland oder Sibirien liegen, deren Nord-Süd-Ausdehnung sich auf 150km erstreckt, in der Ost-West-Richtung ungefähr die Hälfte, deren rund 21.000 Einwohner jährlich

idyllischer Standplatz
idyllischer Standplatz

etwa 250 Regentage genießen dürfen, man vor katastrophal urplötzlichen Wetterumschwüngen nirgendwo sicher ist, gerade mal 15 Inseln bevölkert aber das Straßennetz beispielhaft ausgebaut ist und in Stand gehalten wird (selbst der letzte Feldweg ist geteert und frei von Schlaglöchern), demgegenüber aber 120.000 Schafe die Hügel- und Berglandschaft beweiden, in der fast überall weder Baum noch Strauch zarte Ansätze zeigen.

Fragt man den Politiker, so gibt er die eindeutige Antwort: „Natürlich zu Großbritannien“. Fragt man die Einwohner, dann differenziert sich das Bild: „Geographisch und politisch gehören wir zu Schottland, emotional zu Norwegen“.

Fjordlandschaft
Fjordlandschaft

Und das kam ganz einfach so: 1469 heiratete Prinzessin Margarethe von Dänemark James III, König von Schottland. Ihr Vater, der dänische König war knapp bei Kasse und konnte nicht den gesamten Brautpreis bezahlen. Deshalb gab er als Pfand die Orkney und die Shetland Inseln an die Schotten. Während der kommenden 200 Jahre versuchten die Dänen, die Inselgruppen auszulösen. Eine chronisch knappe Kassenlage ließ daraus aber nichts werden, so dass die Inseln schließlich endgültig in schottischen Besitz übergingen.

Nordinsel Unst
Nordinsel Unst

Mit diesem Deal haben sich die Inselbewohner bis heute noch nicht recht abgefunden. Und wie zum Trotz, wird bis in die Gegenwart weiterhin Norwegisch an den Schulen unterrichtet. Viele Hinweisschilder tragen neben Englisch auch die Namensbezeichnung in „Old Norse“. Der eigentliche Shetland-Dialekt zeigt sich als Mischung aus Englisch, gepaart mit Schottisch und Norwegisch, in Reinkultur für einen Ausländer kaum verständlich. Und schließlich wird immer wieder darauf hingewiesen, auch in Touristenbüros, dass die norwegische Stadt Bergen von Shetlands Hauptstadt Lerwick genauso weit entfernt liegt wie der englisch-schottische Fährhafen Aberdeen, oder, dass Englands Hauptstadt London sich weiter entfernt befindet wie Norwegens Kapitale Oslo.

Wer derart auf seine norwegischen Wurzeln pocht, pflegt in besonderer Weise das Wikingererbe. Selbstredend führt ein „Viking Trail“ an die hauptsächlichen Ausgrabungsstätten der „Norsemen“, ob nun nach Tingwall, Cunningsburg, Catpund oder Sumburgh auf dem südlichen Mainland oder hoch hinauf auf die nördliche kleine Insel Unst. Wikingerschiffe und ihre „Longhouses“ sind liebevoll wieder hergerichtet bzw. nachgebaut.

Clearance Überrest
Clearance Überrest

Shetlands Gebräuche und Folklore duften vielfach nach Norwegen. Der norwegische

„Troll“ lebt hier z.B. fort als „Trow“. Ein traditionelles Wikingerfest, das „Up-Helly-Aa“, quasi eine Sonnenwendfeier, wird Jahr für Jahr an zahlreichen Orten Shetlands begangen. Dabei ziehen jeweils Ende Januar Fackelzüge durch die Orte. In Lerwick wird jedes Mal ein Wikingerschiff durch die Straßen geschleift und am Ende der Prozession öffentlich verbrannt, eine Reminiszenz an Wikingergebaren. Denn diese haben ja bekanntlich immer dort, wo sie sesshaft werden wollten, auch gleich nach der Anlandung ihre Schiffe dem Feuer preisgegeben. Ein gesondertes kleines Museum in Lerwick zeigt Ursprung und Entwicklung dieses Brauches.

Schafscherer
Schafscherer

Zusätzlich finden sich Überreste und Ausgrabungen aus der neolithischen Epoche oder der Eisenzeit überall auf den Inseln verstreut. Als besonders lohnenswert schält sich dabei ein Besuch der Ausgrabungsstätte „Jarlshof“ heraus, direkt in der Südspitze von Mainland gelegen. Doch auch andere, kleinere Ziele rechtfertigen auch einmal Umwege auf Schmalspurstraßen, sei es zu den Brochs (wie auch auf den Orkney Inseln als Wehrdörfer bezeichnet), den Böds (größere, ehemalige Siedlungshütten mit besonderer Bedeutung) oder zu den steinernen „Horse Mills“.

Wikingererbe
Wikingererbe

Später dann, nach den Wikingern, trieb es auch Hanseschiffe in diesen verlassenen Winkel der Erde. Auf dem Friedhof der ehemaligen „St. Olaf’s Kirk“ (12.Jh.) auf Unst befinden sich heute noch die Grabsteine zweier Hansekaufleute. Des Weiteren erzählt der „Bremen Böd“ von Shetlands langanhaltende Verbindungen zu den deutschen Hansekaufleuten.  Lerwicks „Lodberries“, frühere Lagerhäuser am Hafen mit direkter Beladungsmöglichkeit von Schiffen, legen gleichermaßen Zeugnis von Hanseeinflüssen und –aktivitäten ab.

Sturmgepeitschte Küste
Sturmgepeitschte Küste

Wer über die Inseln streift, entdeckt viele verlassene Hausruinen. Diese rühren nicht von einer sogenannten Landflucht oder dem Niedergang der Landwirtschaft her. Im Gegenteil, seit dem boomenden Ölgeschäft mit all seinen Vor- und Nachteilen entstehen inselweit neue Häuser und Wohngebiete, glücklicherweise in einer der Natur angepassten Architektur. Die erwähnten,  zerfallenen Häuser stehen quasi noch als Überreste einer Landvertreibung („Clearance“) in der Wende des 18./19.Jh. Geschäftstüchtige Adlige hatten den Wert der Schafzucht schnell erkannt. Da störten die damaligen Kleinbauern („Crofter“) nur. Den unrühmlichen Rest dieser Entwicklung kann sich jeder selbst ausmalen.

Die Shetland Inseln waren stets begehrtes Ziel von Forschern und Eroberern. Für Forscher, besonders Botaniker und Ornithologen, erweisen sie sich als „Garten Eden“. Die Geologen können sich ausgiebig der Erforschung früherer Vulkantätigkeiten hingeben. Eroberer fühlten sich hier ebenfalls schnell wohl, allein schon wegen des doch fruchtbaren Erdbodens und der Torfausbeute.

Für den touristisch Reisenden bieten sich unbeschreibliche Landschaftsbilder an den vielfältigen Cliffs mit ihren Fjorden, den strahlend weißen Sandbuchten und Stränden, den weit gefächerten Möglichkeiten von Tierbeobachtungen (besonders unzählige Arten von Seevögeln, aber auch Seehunden und manchmal auch Wale), den kilometerlangen Rundwanderungen in den Naturschutzgebieten mit ihren bunt getüpfelten Sommerwiesen. Doch man verlasse die ausgeschilderten Wege lieber nicht, da man sonst unweigerlich tief in den moderigen Grund der Hochmoore einsinkt.

Britain's nördlichste Kirche
Britain’s nördlichste Kirche

Zum Schluss werfen wir noch einen Blick auf die weltbekannten Shetland Ponys. Sie sind ja die Miniaturausgabe von den uns eher vertrauten Exemplaren. Schwerpunktmäßig auf der Insel Unst und südlich von Lerwick galoppieren sie wild verwegen, hin und wieder auch tänzerisch über die Koppeln, meistens in Herden. Sie spielten einst in Shetlands Wirtschaftsentwicklung eine bedeutende Rolle. Neben dem Einsatz bei regulärer Landwirtschaftsarbeit, wurden sie im Bergbau eingesetzt , denn sie waren klein aber auch kräftig genug, um in den Grubenschächten die scheren Loren ans Tageslicht zu ziehen. Diese Miniausgaben erreichen in der Tat wenig mehr als Schafs- oder Ziegenstatur und konnten sich deshalb problemlos in den engen Schächten bewegen.  Allerdings mussten die damaligen Minenbesitzer zu diesem, ihrem Glück erst gezwungen werden. Eine „Minengesetz“ aus dem 18.Jh. verbot, dass Frauen und Kinder nicht mehr in den Stollen für Transportarbeiten unter „beengten Verhältnissen“ („Cramped Conditions“) beschäftigt werden durften. Also schaffte man sich Arbeitskräfteersatz durch die Shetland Ponys. Und heute? Die Ponys dienen fast ausschließlich nur noch als touristisches Accessoire.

Auf diesem Tourabschnitt haben wir, wie schnell zu ersehen war, eine bilderbuchhafte, stets dem Fortschritt und der Humanität gegenüber aufgeschlossene Region bereist. Lassen wir zu guter Letzt noch einmal einen Einheimischen zu Wort kommen, der uns den Unterschied zwischen einem Orkadier und einem Shetlander erklärte: „Der Orkadier ist ein Bauer mit einem winzigen Fischerboot im Hafen. Der Shetlander ist ein Fischer mit einem Miniacker hinterm Haus“. Unsere Eindrücke von beiden Inselgruppen decken sich mit dieser Kurzcharakterisierung.

On Tour 20-GB SCO „Die Orkney Inseln – Paradies der Kühe, aber nicht nur!“

Orkney Leben
Orkney Leben

Waren auf dem schottischen Festland die Wiesen und Berghänge durch die unzähligen Schafe vielfach weiß gefleckt, entdeckt man diese Flecken auf den Orkney Inseln eher in Schwarz. Und dieses Mal wird die Besprenkelung hervorgerufen durch fast ausnahmslos schwarze Kühe, gefühlt ebenso viele wie es vorher Schafe gab. Es bleibt unübersehbar, die Rinderzucht und folglich auch die Käseproduktion „The Orkney Cheese“ erweisen sich als die wohl am stärksten ausgeprägten Wirtschaftszweige der Orkadier.

Stromness Fußgängerzone in der Hochsaison
Stromness Fußgängerzone in der Hochsaison

In zwei Städten laufen alle Straßen und Fäden zusammen. Die kleine Hafenstadt Stromness stellt die Fährverbindung zum schottischen Festland sicher. In der von meist von grauen Natursteinhäusern gesäumten Fußgängerzone flanieren nur wenige Menschen. Legt allerdings ein Kreuzfahrtschiff im Hafen an, kann es auf den steilen Treppen oder engen Gässchen schnell einmal zum Touristenstau kommen.

Kirkwall-St. Magnus Cathedral
Kirkwall-St. Magnus Cathedral

Kirkwall heißt die Inselhauptstadt. Auch hier durchzieht eine ansprechende Fußgängerzone den Stadtkern. In ihm sind die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu erreichen, die St. Magnus Cathedral, der Earl’s und Bishops Palace oder ein wenig abseits das Orkney Museum.

Nun würde sicherlich kaum ein Tourist aus diesem Grund auf diese Inselgruppe (70 Inseln insgesamt) reisen. Doch der Insel-Tourismus blüht, wächst und gedeiht. Sicherlich liegt es auch daran, dass es auf der Welt relativ wenige Plätze gibt, an denen man vormittags in 6.000 Jahre alte Geschichte eintauchen kann, um dann am Nachmittag Einblicke in zukunftsträchtige erneuerbare Energietechnologien zu gewinnen – so dicht liegen diese unterschiedlichen Welten hier örtlich beieinander.

Orkney bezeichnet sich zum einen als Geburtsstätte der Meeres-Energieindustrie. Besonders Gezeitenkraftwerke wurden hier aus der Taufe gehoben und getestet. Aber auch die Windenergie macht von sich reden, wurde auf dem Costa Hill in den 1950ger Jahren doch das erste Windkraftwerk der Welt in Betrieb genommen. Heute präsentiert man stolz, dass der gesamte Inselenergiebedarf durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Ein entsprechendes Dokumentationszentrum mit Ausstellung in der zweitgrößten Inselstadt Stromness gibt tiefergehende Auskünfte.

Skara Brae
Skara Brae

Und auf der anderen Seite der Historie kann der Besucher durch Ausgrabungen Eindrücke in das Leben vor 4.000 bis 2.000 AD oder die Epoche um Christi Geburt oder die „Wikinger Jahrhunderte“ gewinnen. Viele ausgegrabene und liebevoll wieder hergerichtete, ehemalige Siedlungen, Steingräber, Steinkreise oder Standing Stones sowie Wehrdörfer finden sich über alle Inseln verteilt. Beispielhaft seien genannt die weltberühmte neolithische Siedlung Skara Brae aus dem Jahr 4.000AD, die auch nicht viel jüngeren Steingräber wie z.B. „Maeshowe Chaimbered Cairn“ oder „Tomb of the Eagles“ bzw. der „Ring of Bodgar“.

Broch Gurness
Broch Gurness

Fast modern wirken dagegen die freigelegten Wehrdörfer, „Brochs“ genannt, aus der Ära um Christi Geburt, kannten sie doch bereits ein ausgeklügeltes Frisch- und Abwassersystem inklusive Jacuzzi-Pool.

In der jüngsten Geschichte, während des Zweiten aber besonders des Ersten Weltkrieges schrieb die Inselgruppe Geschichte. „Scapa Flow“ lautet der Schlüsselbegriff, ein von Inseln dicht umgebenes Binnenmeer mit schmalen Ausgängen in den Atlantik. In beiden Weltkriegen dienten diese Gewässer als Stützpunkt der britischen Kriegsmarine. Trotz hoher Sicherheitsstandards gelang es im WW II einem deutschen U-Boot in diesem Meer die britischen Zerstörer „HMS Royal Oak“ und „HMS Vanguard“ zu torpedieren.

Scapa Flow-Kaiser's Fleet
Scapa Flow-Kaiser’s Fleet

Viel gravierender zeigt sich das Geschehen im WW I. Die besiegte deutsche Kriegsflotte – „The Kaiser’s Fleet“ – wurde unter britischer Bewachung hierher gleitet und in „Scapa Flow“ quasi interniert. Aus Angst, dass auch sechs Monate nach Kriegsende, der zunächst ja eigentlich nur ein brüchiger Waffenstillstand war, alle deutschen Kriegsschiffe letztendlich in britische Hände fallen könnten, gab der damalige Flottenoberkommandierende den Befehl, „den Stöpsel zu ziehen“. Das bedeutete nicht anderes, als dass die Besatzungen eigenhändig ihre Schiffe auf Grund setzten. Und so versanken in wenigen Stunden 54 der insgesamt 72 Schiffe auf den Meeresgrund.

Italian Chapel
Italian Chapel

Sehr anrührend kommt demgegenüber die Geschichte der „Italian Chapel“ einher, eine Begebenheit noch einmal aus dem WW II. Italienische Kriegsgefangene waren zur Zwangsarbeit (Bau von Meeresbarrieren – The Churchill Barriers) auf die Inselgruppe deportiert worden, ins „Lager 60“. Unter ihnen befand sich auch der Künstler Domenico Chioccetti (1910-1999). Letztendlich erfolgreich beantragte er bei der Lagerleitung die Errichtung einer Kapelle für seine Mitgefangenen. Erst einmal genehmigt, verzauberte er zwei mit einander verbundenen Wellblechhütten in eine faszinierend gestaltete Kapelle. Der Bau einer Kapellenvorderfront in italienischem Stil komplettierte den Bau. Davor stehend, fühlt man sich tatsächlich in italienisches Flair versetzt. Um die Kapelle als „Denkmal für Menschlichkeit mitten im Krieg“ zu erhalten, wurden nunmehr extra Künstler und Restauratoren aus Italien eingeflogen.

 

Tomb of the Eagles P1150114

Doch vergessen wir bei aller Entzückung nicht Orkneys leibliche Spezialitäten. Neben dem Käse geht es nahtlos weiter mit Fischspezialitäten. Wer es besonders schmackhaft mag, dem empfehlen wir „Skerries Bistro“ auf der Insel South Ronaldsay nahe von „Eagle’s Tomb“. Auch die Kehle kommt nicht zu kurz durch die Whisky-Destillery „Highland Park“ oder die „Orkney Brewerie“ mit dem Bockbier „Skull Splitter / Schädelspalter“.

Typische Insellandschaft
Typische Insellandschaft

Die Orkney Inseln, grünlich schimmernde aber fast ausschließlich baumlose Hügel, in sie eingebettet zahlreiche Seen und Hochmoore, oft windige Eilande, wo am Himmel Wolken, Regen und Sonne in ständiger Rivalität liegen, sie hinterlassen bleibenden Eindruck und wecken den Wunsch nach Wiederkehr.