On Tour 33- GB SÜD 5 „Im Kreidekasten“

Birling Gap
Birling Gap

Oftmals strahlend weiß leuchtet weithin die englische Südküste zwischen Portsmouth und Dover. Bis zu 100m hohe Kreidefelsen mit brüchigen Kliffkanten werden von der rauen See Meter für Meter abgenagt. Es ist schnell abzusehen, wann das nächste Haus, der nächste Weidezaun oder der nächste Baum ein Raub der Brandung wird.

Beginnen wir mit der Ferieninsel „Isle of Wight“ ca. 40 Fährminuten von Portsmouth entfernt. Insel „Vectis“ nannten sie bereits die Römer, was nichts anderes bedeutet als „Isle of Cliffs“. Bei der 60km langen Inselumrundung fallen besonders die Südküste ins Auge, der landschaftlich schönste Inselteil.

Beachy Head-Blick auf Eastbourne
Beachy Head-Blick auf Eastbourne

Zurück auf dem britischen „Festland“ präsentieren sich augenfällig beeindruckend der „Birling Gap“ mit dem „Beachy Head“ etwas wenig westlich von Eastbourne und später dann natürlich die White Cliffs of Dover“. Aber auch die Steilküsten zwischendurch an der Coastal Route, immer dann, wenn es keine Bebauung gibt, zeigen sich sehr malerisch.

Eastbourne-Seafront
Eastbourne-Seafront

Und damit sind wir beim Problem. An diesem Küstenstreifen, besonders zwischen Portsmouth und Brighton und später dann Eastbourne gibt es kaum noch unbebaute Küstenlinie.

Eastbourne gilt als „schönes“ Seebad mit seiner Promenade am Meer, den teilweise mit Palmen gesäumten Straßen und vor allen Dingen den weißen Häusern an der Waterfront. Wer es mag, schaden kann es ja nicht, sich das einmal anzusehen. Um dort Urlaub zu machen, muss man schon ein echter Fan für südenglische Badeorte sein.

Die wenigen, architektonischen Schmuckstücke wie z.B. in Brighton können die Eintönigkeit der besiedelten Seafront in diesem Küstenabschnitt nicht wettmachen. Ein fish&chips-Laden reiht sich an die nächste Spielhalle, gefolgt von wenig einladenden Adventure-Einrichtungen. Von den unentwegten Verkehrsstaus, auch jetzt noch Mitte Oktober, wollen wir lieber gar nicht sprechen.

Brighton-Pier
Brighton-Pier

Brighton selbst gilt als des Engländers liebstes Seebad. Es schmückt sich mit der berühmtesten Pier Englands, d.h. einer 500m langen Amüsiermeile ins Meer hinaus, die von Karussels, Restaurants und Discos beherrscht wird. Direkt am Ufer dreht sich nunmehr ein großes Riesenrad. Die alte Pier brannte 2003 völlig nieder. Leider ragt das verkohlte Stahlgerippe immer noch gen Himmel. Immerhin 8km kann man auf der Uferpromenade am direkt Meer entlang bummeln, rechts dem Rauschen des Meeres lauschen, links den heute morbiden Charme einer ehemals sicherlich ansprechenden Bäderarchitektur genießen ( oder umgekehrt).

Unweit der Pier stößt der Besucher auf die „größte Geschmacksverirrung Englands“, als „Follie“ bezeichnet, die kuriose Sehenswürdigkeit „Royal Pavilion“. Erbauen ließ ihn um 1802 der spätere König Georg IV erbauen für eine damals immense Summe von £ 500.000. Zwiebeltürme, bleistiftdicke Minaretttürmchen und orientalische Ornamente zieren diese „französische Chinoiserie“. Kein Wunder, dass die damaligen Untertanen des vorköniglichen „Prince of Wales“ (Georg IV) ihn mit Häme überschütteten und ihn nicht zuletzt wegen seiner Genusssucht und Leibesfülle zum  „Prince of Whales / Prinzen der Wale“ umtauften.

Brighton-Royal Pavilion
Brighton-Royal Pavilion

Doch so eine berühmte Sommerfrische zieht immer wieder illustre Persönlichkeiten an. Der berühmte Reiseschriftsteller Lord Byron gastierte hier in der Wende des 18./19.Jh’s. Charles Dickens, dessen Geburtshaus übrigens in Portsmouth besucht werden kann, kurierte hier zunächst eine Krankheit aus und erschien dann regelmäßig. Schließlich gab sich der Autor von „Alice im Wunderland“, Lewis Caroll, hier ebenfalls öfter die Ehre.

Und dann erzählt man sich auch die Geschichte von dem Fürsten von Pückler-Muskau (1785-1871). Wir kennen ihn ja vornehmlich als „Eismann“. Im Grunde genommen gestaltete er jedoch Gärten und Parks, was ihm allerdings auch keine auskömmliche Existenz sicherte. Also begab er sich in die südenglische Sommerfrische auf Suche nach einer reichen Braut. Alle Anstrengungen, Verkleidungen und Annäherungsversuche schlugen fehl, er musste schließlich Bankrott anmelden.

Sugar Loaf
Sugar Loaf

Von noch einem komischen Vogel gilt es zu berichten, einem John Fuller, auch „Mad Jack“ genannt. Auch er, immerhin Parlamentsabgeordneter im 18.Jh., ließ eine weitere „Architektur-Follie“ errichten auf einem Feld in der Nähe des Örtchens Dallington. Die architektonische Albernheit besteht aus einem einzigen steinernen „Sugar Loaf /  Zuckerhut“ von rund 10m Höhe. Alles ging wohl auf eine Wette zurück, in der dieser Exzentriker behauptete, von seinem Schlösschen aus den Kirchturm des benachbarten Dorfes Dallington sehen zu können. Da dem aber nicht so war und er die Wette nicht verlieren wollte, ließ er besagte Kirchturmspitze einfach auf einem Hügel in Sichtweite nachbauen. Und dort steht sie heute noch.

Chichester-Altarteppich
Chichester-Altarteppich

Sehr ansprechend sind wieder einmal die kleinen „Perlen“, abseits des Tourismusrummels. Allen voran die Kleinstadt Chichester mit seiner unbeschreiblich schönen Kathedrale – innen wie außen nebst Chagallfenster -, seiner ansprechenden Fußgängerzone, welche eingerahmt ist von einer elfeckigenFußgängerzone. Dort, wo sich die vier wichtigen Innenstadtstraßen treffen, nämlich die North / West / South und East Street bildet das prächtige Marktkreuz aus dem 16.Jh. einen weiteren Anziehungspunkt.

„Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ Die Besucher des „ Monk‘s House“ im Weiler Rodmell bei der Stadt Lewes sicherlich nicht. Das Haus, ursprünglich aus dem 17.Jh. stammend, diente der berühmten Schriftstellerin als Landsitz, Gartenparadies und letzte Ruhestätte. Die räumliche Enge und Verschrobenheit des Gebäudes steht im völligen Gegensatz zur „geistigen Freiheit“ ihres Werkes.

Bilderbuchhaft erscheint die trotzige Burg im Städtchen Arundel, gleich um die Ecke bei Chichester. Doch was nach tiefer Geschichte riecht, scheint eine Wohnstätte von „Alice im Wunderland“ zu sein. Erbaut wurde es vor gerade einmal 100 Jahren, geschichtsträchtig kommt eher die Kathedrale aus dem 14.Jh.  in der Nachbarschaft einher.

Scharrbild-Long Man
Scharrbild-Long Man

Suchen wir Ruhe in dem Bilderbuchdorf (820 Einwohner) Alfriston, ebenfalls dicht bei Eastbourne. Der Dorfanger mit Dorfkirche, die originalen Häuser überwiegend aus dem 17.Jh. strahlen tiefen Frieden aus. Als Zuckerl bietet sich ein Besuch im „Clergy House“ an. Aus dem 13.Jh. stammt es, diente viele Jahrhunderte dem benachbarten Kloster als Gästehaus für Pilger. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei dieser Sehenswürdigkeit um die erste vom National Trust 1896 erworbene Immobilie handelt. Sie bildet den Grundstein und die Geburtsstätte des heute 4 Millionen Mitglieder umfassenden gemeinnützigen Vereins.

Das Parallelbild vom bereits erwähnten „Naked Giant“ ist der 70m hohe „Long Man“ etwas nördlich von Hastings beim Dorf Wilmington. Diese Bilder sind höchstwahrscheinlich in der Eisenzeit in den weiß leuchtenden Kreidefelsboden geritzt worden. Und so leuchten diese „Scharrbilder“ noch heute.

In die Kette der südenglischen Bäder reiht sich nun Hastings ein. Bösartige Zungen behaupten, diese Stadt sei der hässlichste der Channel-Badeorte. Andere lästern, es sei ein „fades Brighton“. Oder wie drückt es ein schriftstellender Hastingsbesucher (Henry James) etwas eleganter aus: „ Ich glaube nicht, dass das Leben das aufregendste oder zufriedenstellendste der Welt ist“. Dieser literarischen Umschreibung wollen wir nichts hinzufügen.

Battle-Abbeyruine
Battle-Abbeyruine

Hastings hat sich andererseits aber einen Namen gemacht wegen der berühmten Jahreszahl „1066“, als Wilhelm der Eroberer just an diesem Strand, von Frankreich kommend, seinen Fuß auf englisches Territorium setzte und in der berühmten Schlacht die englische Krone an sich riss. Die eigentliche Schlacht fand rund 15km nördlich im Ort Battle statt. Das gesamte Städtchen vermarktet heute dieses einschneidende historische Ereignis mit Hilfe der Ruine der ehemaligen Abbey und dem angrenzenden Schlachtfeld. Wer englische Geschichte besser verstehen möchte, einschließlich der über viele Jahrhunderte andauernden, ehemaligen französisch-britischen Feindschaft, dem empfehlen wir einen Besuch dieses exzellenten (Freiluft-)Museums.

„This precious stone set in the silver sea / Dieses wertvolle Gestein, in die silberne See hinausragend“, so argumentierte schon Shakespeare in seinem Drama „Richard II“ über die „White Cliffs of Dover“. Gleich östlich vom aktiven Fährhafen können sie erklommen und bestaunt werden. Sie sollen eine der spektakulärsten Landschaften Großbritanniens sein. Ja richtig! Wer den Kliffpfad auf den Kreidefelsen, vorbei am gigantischen Dover Castle bis zum South Forehead Leuchtturm, entlang wandert, genießt unbeschreibliche Ausblicke, z.B. auf das emsige Treiben auf dem Ärmelkanal. Bei klarer Sicht ist als Streifen am Horizont die französische Küste zu entdecken. Und bei ungetrübtem Sonnenschein strahlen die Kreidefelsen „weiß, weißer geht’s nicht“.

White Cliffs of Dover
White Cliffs of Dover

Mit dieser Reisestation klappen wir den „Kreidekasten“ wieder zu. Gleichzeitig schließen wir auch die „Schatulle der Berichterstattung ON TOUR“ über unsere fast 6-monatige, fantastische Rundtour durch Frankreich, Irland und Großbritannien.

Rund 20.000km liegen hinter uns. Knapp 9.000 Fotos bleiben als Erinnerung.

Wer an dieser Rundtour ein wenig teilhaben möchte, der besuche doch einfach einen unserer DiaVorträge über IRLAND, SCHOTTLAND,ENGLAND. Nähere Informationen hierüber wie Vortragsbeschreibungen und die entsprechenden Termine sind schnell zu finden auf unserer web-site

https://ga-wo.leichsenring.net/reisen/.

Vielleicht treffen wir uns dort einmal.