K&K15 – Sturm

Kiwi House
Kiwi House

Zunächst keineswegs! Geruhsam schlängeln wir uns auf dem Termal Explorer HWy von ROTURUA zunächst Richtung Westen über Cambridge in die Kleinstadt OTOROHANGA. Kleinstadt ist vielleicht zu viel gesagt. Es gibt eine Hauptstraße, nämlich die Durchgangsstraße als SH 31/39 mit dem üblichen Geschäftsangebot und links und rechts noch einige wenige Siedlungsstraßen. Das war’s. Wenn da nicht der KIWI HOUSE BIRD PARK wäre. Diese Vogel-/Kiwischutzstation hat es sich zur Aufgabe gestellt, Kiwi-Eier -fast so groß und schwer wie Straußeneier bzw. 25% des Eigengewichtes eines Kiwiweibchens- auszubrüten, die Jungen aufzuziehen, um diese später dann auszuwildern. Durch diese Maßnahmen erhofft man sich, das Aussterben des neuseeländischen Wappenvogels zu verlangsamen, wenn nicht sogar zu verhindern. Es sollen bereits gute Erfolge erzielt worden sein. Die in Gefangenschaft aufgezogenen Jungen sollen in freier Wildbahn ihr Revier gefunden und darin überlebt haben.

Für den Besucher erlebbar macht man den absoluten Nachtvogel dadurch, dass man in den Kiwihäusern durch künstliche Beleuchtung die Tages- und Nachtzeiten vertauscht hat. Den Vögeln soll es nichts ausmachen, die menschlichen Gäste freut es. Allerdings erleben ausgewilderte Tiere dann aber wohl zunächst eine Form von Jetlag.

Glowworm Cave von außen
Glowworm Cave von außen

Tierisch geht es weiter, aber immer noch sturmfrei. Nur wenige Kilometer entfernt darf man an den WAITOMO GLOWWORM CAVES nicht vorbeifahren. Eigentlich besteht das Höhlenlabyrinth aus drei eigenständigen unterirdischen Systemen, die man sich alle in geführten Touren zu Fuß (ARANUI CAVWE, RUAKURI CAVE), per Rafting (BLACKWATER RAFTING LABYRINTH in der Ruakuri Cave) oder als Klettertour (in eben jener Höhle)  erobern kann. Und warum nun gerade die „Glühwürmchen Höhle“? Per pedes geht es zunächst durch ein Meer von Stalagmiten und Stalaktiten. Die Felskathedralen verfügen über eine solch fantastische Akustik, dass dort regelmäßig Konzerte stattfinden. Anschließend klettern wir in ein kleines Boot und lassen uns in absoluter Stille und zunächst auch in Dunkelheit auf dem unterirdischen Fluss treiben. Von diesem Teil der Tour rührt der Höhlenname her. Millionen und  Abermillionen Glühwürmchen lassen ihr Licht in die Finsternis strahlen, wie eine Matte mit kleinen LED-Glühbirnchen (in der Höhle absolutes Fotographierverbot!). Glücklicherweise hält sich der Besucherstrom bei der ersten morgendlichen Führung noch stark in Grenzen, so dass dieses außergewöhnliche Schauspiel in Ruhe genossen werden kann.

Zum Glühen kommen auch die Vertreter des nächsten Anlaufpunktes. Kurz nach den Höhlen betreten wir die „Welthauptstadt“ des Schafscherens, TE KUITI. Ein neuer Weltrekord in dieser Disziplin wurde 1995 aufgestellt: 815 geschorene Schafe in neun Arbeitsstunden als Ein-Mann-Leistung. Da ging es bestimmt stürmisch zu, bei Mensch wie  auch beim Tier.

Nebenbemerkung: Da wir schon einmal bei „Welthauptstädten“ sind. Am Südende der Region Taranaki, direkt an der Tasman Sea, sichten wir im Ort MANAIA die Bezeichnung „Welthauptstadt des Brotes“. Eine Kostprobe ist uns nicht vergönnt. Alle Bäckereien haben um 16.30 Uhr bereits geschlossen.

Aber schon sind wir beim Thema.

Tasman Sea bei New Plymouth
Tasman Sea bei New Plymouth

Denn mittlerweile erreichen wir die Westküste der Nordinsel. Im Vergleich zum Ostküstenpazifik bleibt die Tasman Sea in der Regel nicht so ruhig und idyllisch. Starke Winde türmen Wellen auf; weiße Gischt bleibt bis an den Horizont hin sichtbar. Das Grollen der Wogen, wenn sie auf den Kiesstrand treffen, übertönt oft alle anderen Geräusche. Auf unserem nächtlichen Standplatz an der EAST END BEACH der Hafenstadt New Plymouth werden Wohnmobil und Insassen so kräftig durchgerüttelt, dass sie überlegen, den Ort zu wechseln. Aber schließlich bleibt das Meer doch kurz unterhalb der Promenadenmauer.

Len Lye-The Wind Wand
Len Lye-The Wind Wand

NEW PLYMOUTH an der westlichen Beule der Nordinsel lädt zu vielerlei Aktivitäten ein. Allein der hinreißende Ocean Walkway erstreckt sich über 8km, von Fahrradfahrern abgesehen, völlig verkehrsfrei. Mehrere Parks laden zum Verweilen ein, darunter der als Botanischer Garten ausgewiesene einzigartige Pukekura Park. Einen Besichtigungshöhepunkt kann man das PUKE ARIKI nennen. Unter einem Dach vereint präsentiert sich in moderner Aufmachung ein Doppelmuseum. Zunächst zeitreisen wir durch die Geschichte der früheren Walfänger und Kaufleute. In kultureller Gegenüberstellung vertiefen wir uns ein weiteres Mal in eine Ausstellung über das Leben der Maoris, nicht konkurrierend, sondern ergänzend – eine gelungene Symbiose. Das Ganze ist eingebunden in einen größeren Komplex zusammen mit der Touristeninformation und gutem gastronomischem Angebot.

Len Lye-Four Fountains
Len Lye-Four Fountains

Doch auch diese gelungene Kombination lässt sich noch steigern. Nur zwei Straßenzüge weiter erstrahlt die erst Mitte 2015 eröffnete Kunstgalerie über Leben und Werk von Len Lye. International hat er sich einen Ruf als „kinetischer Künstler“ erworben. So charakterisiert die Galerie sich dann auch selbst als „The swingiest art gallery“. Und in der Tat, nichts ist unbeweglich im Schaffen des Künstlers, hier schwingt es, dort flimmert es. Kleinheit redet er nicht das Wort. Seine bewegten Werke sind in neun Meter hohen Räumen untergebracht, z.B. „The Four Fountains“. In kein Gebäude dagegen passt mehr sein „The Wind Wand“. Unübersehbar, allen Witterungsbedingungen ausgesetzt, schwingt ein 45m hoher Glasfibermast mit durchsichtiger Kunststoffkuppel am Strand vom Stadtzentrum. Ja, die stürmischen „A“s und „O“s der Galeriebesucher wollen schier kein Ende nehmen. Es hat aber auch etwas gigantisch Ästhetisches, diese Kunst des Überdimensionierten, sich immer in Bewegung Befindlichen!

Mount Trananaki
Mount Trananaki

Beim Namen NEW PLYMOUTH schlägt das Herz eines jeden Surfers höher. Hier beginnt der „Surf HWy 45“.  Auf ganze 105km zieht  sich die „Surfküste“ hin bis hinunter nach Hawera.

Unterwegs treffen wir auf das CAPE EGMONT, den westlichsten Punkt Neuseelands. Man hat nicht viel daraus gemacht. Außer einem unspektakulären Leuchtturm und einem Parkverbotsschild bleibt dem Vorbeiziehenden nur der Blick auf die rau stürmische Tasman Sea.  

Auf dem Highway selbst schnüren viele Fahrzeuge mit Surfbrettern auf den Dächern die gut ausgebaute Landstraße hinauf und hinunter, vollgestopft mit unerschrockenen Wassersportlern auf der Suche nach der perfekten Welle. Einen besonderen Ruf für ausgezeichnete Surfbedingungen genießt der Ort OPUNAKE. Das Getümmel im Wasser, pardon auf den Kämmen der Wogen, war entsprechend.

Hawera Museum
Hawera-Tawhiti Museum

 

HAWERA mit niedlicher Innenstadt bietet neben einem Wasser-/Aussichtsturm ein hautnahes Museumserlebnis. Im „Tawhiti Museum“ werden Siedlungsgeschichte und Maori-Stammeskämpfe des 19. Jahrhunderts mit lebensgroßen Gestalten sowie maßstabsgetreu in Schaukästen nachgestellt. Die Liebe zum – oftmals auch belustigenden – Detail hilft bei perfekter Darstellung. In einer parallelen Ausstellung geleitet der Besucher per Boot durch die Welt der Walfänger und deren Händler. Alles hervorragend arrangiert und auch einen Umweg wert.

Stratford Clock Tower
Stratford Clock Tower

Mount TrananakiAnschließend schlagen wir wieder die Richtung landeinwärts ein mit dem Ziel Stratford, auf halbem Landweg zwischen Warwera und New Plymouth, nur eben gut 40km von  jeglicher Küste entfernt. Gemeinsam mit dem britischen Stratford-upon-Avon pflegt der neuseeländische Bruder die Liebe und das Erbe zu Shakespeare, obwohl dieser von dem hiesigen Ort sicherlich keine Ahnung gehabt hat. Die Straßennamen hier sind den Personen und Titeln von 27 Shakespeare Stücken entlehnt. Und so wohnt man halt in der Hamlet Street, der Lear Avenue oder dem Romeo Court.

Stratford Romeo & Julia
Stratford Romeo & Julia

Der stürmischen Liebe des letztgenannten Helden zu seiner Julia wird viermal täglich per größtem „Glockenspiel mit Figuren und Musik“ gedacht. Am Broadway erleben wir dieses Spektakel um die Mittagszeit am Glockenturm. Der Titelfigur in Shakespeares Theaterstück „The Tempest / Der Sturm“, dem Herzog von Mailand Prospero, ist sogar der zentrale Platz in der Ortsmitte gewidmet. Ja, es stürmt in vielfältiger Form!

Der Leser hat bemerkt. Wir drehen uns im Kreis, fahrtroutenmäßig. Das hat natürlich seinen Sinn, denn alle in diesem Abschnitt beschriebenen Orte, Küstenlinien und Sehenswürdigkeiten werden überstrahlt von dem Schnee bedeckten „König der Region“, dem Mount Taranaki. Mit seinen 2516m Höhe gilt er als der „mystischste Berg“ Neuseelands. Für die Maoris ist er heilig. Touristisch hat er den Ruf des „El Dorados für Wanderer“ mit seinem „Mount Egmont National Park“. Gut ausgestattete InfoCenter halten alle notwendigen Materialien für seine Besteigung auf den unterschiedlichen Routen   parat. Bei mehr als 300.000 Bergsteigern pro Saison bleibt man nie so ganz allein, da sich meisten Wanderaktivitäten natürlich auf die wenigen Tage konzentrieren, an denen der zu besteigende, puderweiße Vulkankegel (letzter Ausbruch 1755) im Sonnenlicht erglänzt. Egal, an welchem Fleckchen man auf der geographischen „Westbeule“ weilt, er präsentiert sich als magischer, oft sturmumtoster Blickfang.

Forgotten World
Forgotten World

Nunmehr kehrt aber wieder Ruhe ein. Ab STRATFORD biegen wir ab gen Nordosten. Auf 150km folgen wir dem „Forgotten World HWy“. Die Lebendigkeit dieses Tourabschnittes gibt dem Highwaynamen Recht: Nichts als hügelige grüne Wiesen, darauf schwarze Punkte (Kühe) und wollig-weiße (Schafe), manchmal undurchdringlicher Wald, einige wenige Einzelgehöfte, keine durchgehende Teerstraße, die Ankündigung, dass auf den nächsten 150km keine Tankstelle mehr kommt, damit auch keine fünf Autos gesichtet.

Und doch kommen wir auch in dieser Abgeschiedenheit vom Thema „Sturm“ nicht gänzlich los. Nennen wir es einmal „Sturm im Wasserglas“. DSCN2851Nach rund 60km der Einsamkeit erregt ein Schild besondere Aufmerksamkeit. Die Bewohner der sechs Häuser und des Hotels der Siedlung WHANGAMOMONA haben sich zur „Unabhängigen Republik“ erklärt, mit eigenem Pass sowie Grenz- und Zollkontrolle, kurz gesagt: Neuseelands rebellische Gallier Asterix und Obelix. Hintergrund ist eine angeordnete Gebietsreform von 1989, bei der der Ort mit der Nachbarsiedlung zusammengelegt werden sollte. Die beiden Rugbymannschaften waren jedoch so untereinander verfeindet, dass die Zusammenlegung sich als ein Ding der Unmöglichkeit erwies. Denn man hätte dann ja eine gemeinsame Mannschaft bilden müssen. Also gab man der Distriktverwaltung einen Laufpass und gründete die „demokratisch gewählte Republik“. Als Repräsentanten des Staatsgebildes wurde Billy, die Ziege gewählt. Vorher hatte sie alle Stimmzettel der Gegenkandidaten aufgefressen. Auf der Gegenseite erhob man Thai, den Pudel, zum Staatsoberhaupt. Nach einem Attentat trat er jedoch zurück. So erzählt es zumindest die Dorfchronik, welche offensichtlich nicht unbedingt weltweite Berühmtheit erlangt hat.