K&K20 – Eisige Geschwister

Ob sie wohl voneinander wussten oder sich vielleicht sogar einmal persönlich die Hände geschüttelt haben, der FRANZ JOSEPH und der WILLIAM? Hinter dem einem verbirgt sich Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916), seines Zeichens Kaiser von Österreich. Der andere, William Fox (1819-1901)  bekleidete drei Jahre lang (bis 1872)  das Amt des Ministerpräsidenten Neuseelands. Sie waren also Zeitgenossen.

Wanderung zum Fox Gletscher
Wanderung zum Fox Gletscher

Also pirschen wir uns langsam, geographisch wie namentlich allmählich heran.

Geographisch lösen wir uns von den Jade-Kostbarkeiten Hokitikas (vgl. K&K 19) und folgen weiterhin der Westküstenroute etwas mehr als hundert Kilometer südlich.

Die vorher enge Küstenstraße, sie nennt sich nunmehr GLACIER HIGHWAY, findet jetzt mehr Platz zwischen  Bergkette und Ozean. Fruchtbare landwirtschaftliche Flächen säumen den Weg. Unterwegs lohnt sich ein kleiner Abstecher in das Künstlerdorf OKARITO, wegen der Künstler sicher auch, mehr aber noch wegen der Aussicht. Denn nunmehr blicken wir direkt auf die Neuseeländischen Alpen.

Vor dem Start
Vor dem Start

Zumindest haben wir vor, uns an den schneebedeckten Gipfeln zu erfreuen. Doch warum müssen ausgerechnet negative Wettervorhersagen – gefühlt – eher eintreffen als positive. Gefürchtet hatten wir es ja bereits, als am Horizont die ersten Gipfel auftauchten, von grauen Regenwolken umhüllt. Kein Gipfel zu entdecken, Wolkenhöhe verharrt auf 300-400m. Der Regenwald macht seinem Namen alle Ehre, wobei der Akzent auf dem ersten Wort liegt. Dabei bläst vom Meer her ein kräftiger Westwind, der Meer und Küstenstreifen in ein tiefes Blau des Himmels getaucht hat.

Doch die graue Wolkendecke bleibt in und an den Bergen hängen.

Immerhin zählen Neuseelands Alpen zehn Gipfel über 3.000m, deren bekannteste der Mount TASMAN (3.498m) und der Mount COOK (3.754m) sind. Letzterer heißt auf Maorisch AORAKI, der WOLKENSTECHER. Uns sticht eher die Nicht-Sicht auf das Gebirgspanorama ins Gemüt. Die sicherlich touristisch aufmunternde Auskunft „Morgen soll es besser werden“ im InfoCenter tröstet weder noch bewahrheitet sie sich. Wie der Abend so der Morgen. Keine Sicht in Sicht!

Unser Besuchsziel bleibt allen meteorologischen Widerwärtigkeiten zum Trotz bestehen: Ein optisch lohnender Besuch der dortigen Gletscher und Berge. Ab noch fehlt von Beidem vom Tal aus gesehen jegliche nennenswerte optische Spur.

Damit haben wir uns wieder ein Stück weiter an FRANZ JOSEPH und WILLIAM herangepirscht. Diese beiden Gletscher gelten als die interessantesten. Insgesamt beherbergen die Alpen allerdings  sechs ausgewachsene Gletscher, außer diesen beiden noch den Tasman, den Hooke, den Murchison und den Godley Gletscher, eisige Geschwister, die teilweise ineinander übergehen und sich gegenseitig füttern.

Anflug von der Talstation
Anflug von der Talstation

Die Gletscherzungen von „Franz Josef“ und „Fox“ können gut vom Tal aus erreicht werden. Beim „FJG“ wandert man rund 90 Minuten durch das Gletscherflussbett, beim Fox Gletscher etwas kürzer. Ein Erlebnis sind beide Wanderungen allemal, auch bei Nebel, Regen und Kälte. Wer sich strahlend weiße Gletscherzungen erhofft, sollte lieber gleich umkehren. Die Gletscherenden sind selbstredend durch den mitgeführten Sand und das abgeschliffene Geröll schmutzig und fast schwarz.

Sie reichen – besser gesagt: reichten – bis unmittelbar an den Regenwald heran. Für ein „Besteigen“ der Gletscher muss aus Sicherheitsgründen eine geführte Gletschertour gebucht werden. „Franz-Josef“ erstreckt sich auf rund 12km Länge, „Fox“ ist mit 13km Länge der Sieger. Von der Breite her sind beide ähnlich, rund 800m. Spitzenreiter hinsichtlich der Länge bleibt jedoch der Tasman Gletscher mit rund 27km. Ob die Gletscher wie viele andere in der Welt auch tatsächlich abschmelzen, bliebt wissenschaftlich noch umstritten. Neben den typischen Rückzugserscheinungen soll es aber auch längere Perioden des Eis- und Schneewachstums gegeben haben, nicht nur während der letzten großen Eiszeit sondern auch in den jüngeren Vergangenheit.

Mount Cook
Mount Cook

Zwischenzeitlich schauen wir einmal mehr zum Himmel. Doch viel bewegt da oben sich nicht! Bei eigentlich so vielen Besichtigungsmöglichkeiten haben sich natürlich auch die entsprechenden Ferienorte etabliert. Und damit der Reisende nicht vergisst, wo er sich befindet, nennen sie sich namensgleich zu den beiden berühmten Gletschern. „Franz-Josef“-Township und „Fox Glacier“-Township. Dörfer sind sie allemal bezüglich der Einwohnerzahl, 300 zu 200.

Mt Cook-hinten-Mt.Tasman-vorn
Mt Cook-hinten-Mt.Tasman-vorn

Der permanente Strom der Besucher vervielfacht diese Zahl, was ein gehobenes Preisniveau nach sich zieht. An Restaurants, Imbissbuden, Unterkünften herrscht kein Mangel. Erstaunlich, da beide Dörfer eigentlich nur aus einer „Main Route“ mit Touranbietern und Restaurantbetrieben und der „hinteren Straße“ mit zahlreichen Unterkunftsmöglichkeiten bestehen.

Wenn die Sonne nun einmal partout nicht durch die Wolken brechen will, müssen wir also uns zur Sonne begeben. Gedacht, getan!

FJG DSCN4150Mindestens sechs Unternehmen bieten Flugzeug- und Helicoptertouren durch das Gebirgspanarama und entlang der Gletscher an. Einen von ihnen möchten wir wegen seines umfangreichen Programmes und dem guten Preis-Leistungsverhältnisses besonders positiv hervorheben, die „Glacier Country Helicopters“(www.glaciercountryhelicopters.co.nz), und besonders auch als sogenannte „Packagebuchung“ mit der „Franz Josef Alpine Lodge“ (www.franzjosefalpinelodge.com) empfehlen. Vertrauen Sie sich Poppy Tuck und dem Piloten Gus Gordon an. Man befindet sich damit rundum in guten Händen.

Lawinen
Lawinen

Wir haben es getan und nicht bereut. Unter ihrem umfangreichen Flugprogramm wählen wir den „Glacier Explorer“ aus – ca. 45 Minuten Eiswelterlebnis vom Feinsten. Geflogen wird nur, wenn im Gebirge und über den Gletschern unzweifelhaft gute Sicht ist. Garantiert wird dieses optische Schauspiel durch eine festinstallierte Dauerkamera auf den Gletschern, so dass „unten“ festgestellt werden kann, was sich „oben“ abspielt.

Gebirgspanorama
Gebirgspanorama

Viel Zeit zum Überlegen bleibt uns allerdings auch nicht, denn die „Sichtlöcher“  dauern nicht den ganzen Tag. Auf der HeliBase dicht bei Franz-Josef-Township besteigen wir das Fluggefährt. Kälte, kräftiger Wind und Regen umgeben uns. Ein mulmiges Magengefühl beschleicht die Passagiere, besonders diejenigen, die neben dem Piloten durch die Kunststoffflugkanzel direkt nach unten schauen können – also uns! Die Rotorblätter beginnen zu kreisen. Ein Zurück gibt es  nun nicht mehr.

Langsam hebt der Heli schaukelnd ab. Die Nase leicht nach vorn gebeugt, womit sich die direkte Sicht auf den Erdboden bekanntlich verbessert, steigen wir allmählich in die Höhe. Regen prasselt unablässig auf die Kabine. Der Pilot steuert zunächst den „Franz-Josef-Glacier“ an. Zunächst erblicken wir nur ein trübes, verschmutztes Grau, bevor der Heli durch die Wolken stößt. Dann aber, nach kurzer Zeit quasi im Blindflug, werden wir fast geblendet von Sonne und Eis. Die Berggipfel vom Mt. Cook und gleich nebenan vom Mt. Tasman ragen über den Wolken empor, so als ob sie aus einer Watteschicht heraus wachsen. Der Gletscher aus Eis und Schnee ruht im gleißenden Sonnenlicht.

Rückflug über Franz-Josef-Gletscher
Rückflug über Franz-Josef-Gletscher

Aber ein Gletscher ruht bekanntlich nie. So auch unsere beiden nicht. Im Schnitt sollen sie ungefähr fünf Meter pro Jahr ins Tal gleiten. Beim Franz-Josef-Gletscher bedeutet diese Geschwindigkeit, dass ein Eisklumpen, der am oberen Gletscherbeginn anfängt zu wandern, nach rund 130 Jahren unten an der Gletscherzunge angekommen sein wird. Unser Pilot Gus erzählt zwischenzeitlich zwei Episoden über Flugzeugabstürze. Je nach Sichtweise kann die eine für ein Anwachsen, die andere für ein Abschmelzen des Gletscher gelten. So musste 1923 ein Kleinflugzeug auf dem Gletscher notlanden, stürzte jedoch in Gletscherspalte und verschwand. Rund fünf Jahre später soll es fünf Kilometer von der von der Unfallstelle entfernt wieder aufgetaucht sein.  Die andere Begebenheit spielte sich erst in der Gletscher freien Zone ab. Auch hier stürzte 1938 ein kleines Flugzeug ab, rund vier Kilometer von der Gletscherzunge entfernt. Knapp vier Jahre später soll sich der Gletscher dann auf rund 500m an das Flugzeug herangeschoben haben. Pilotenlatein?

Landeanflug
Landeanflug

Zwischenzeitlich kreisen wir weiter über der unendlich erscheinenden, unbeweglichen Welt aus Eis und Schnee. Am Horizont tauchen die dichte Westküste und die weit entfernt liegende Ostküste auf. Direkt unter uns bewegen sich schwarze Punkte im Schnee.  „Eine mehrtägige, geführte Gipfelbesteigung auf den Mount Cook“, erklärt uns Gus. Mit einem Fingerzeig deutet et auf die Steilhänge des Mount Tasman. Dort gehen gerade zwei Lawinen nieder. Schließlich kurven wir noch um den Mount Sefton (3.157m), den Malte Brun (3.155m), den Mount Elie de Beaumont (3.117m). Im Wedelflug gleiten wir noch einmal über dem Franz-Josef-Glacier hinab, zurück ins Tal zum Landeplatz. Bald verschwinden wir wieder in einer dichten Wolke. Die HeliBase wird sichtbar, immer noch in Regen und Wind eingehüllt.

Gletscher aus der Ferne
Gletscher aus der Ferne

Der ganze Flug war sicherlich geprägt von innerer Aufregung und Anspannung. Doch das Erlebte ließ Flugangst eigentlich gar nicht aufkommen. Trotzdem waren wir nicht unglücklich darüber, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Fazit: EINMALIG!

Zum Schluss wollen wir uns doch ganz nahe heranpirschen und noch einmal die Namensgebung durchleuchten. Es war der deutsche Geologe Julius von Haast, der im Rahmen seiner glaziologischen Forschungen 1859 den Gletscher nach dem österreichischen Kaiser Franz-Joseph I. benannte. Anders beim Fox-Gletscher. Als, wie oben angeführt, der seinerzeitige neuseeländische Premierminister William Fox 1872 vor diesem Gletscher stand, benannte er ihn einfach nach sich selbst. Honte y soit qui mal y pense!