K&K21 – Native Bush contra Quirliges Treiben

Die Naturerscheinung „native bush“ erleben wir als ursprünglichen, unbeeinflussten Regenwald.

native bush
native bush

Meistens bleibt das Gestrüpp nicht nur optisch undurchdringlich, abgesehen von der durch das Dickicht gehauenen Straße. Kein Pfad, kein Weg führt hinein. Ein Blätterdach wölbt sich über die Straße. Das Grün an den nahen und weiten Berghängen erscheint mit so dicht geschlossenen Baum-Buschkronen, als ob man auf ihnen spazieren gehen kann. Besonders gilt dieser optische Eindruck für den schwarzen Baumfarn, bei dem der Stamm kahl bleibt, die riesigen Farnblätter der Krone aber sich wie ein Sonnenschirm ausbreiten.

Jackson Bay-Fliegendes Klassenzimmer als Restaurant
Jackson Bay-Fliegendes Klassenzimmer als Restaurant

Besonders urwüchsige Impressionen zeigen sich auf einem kleinen Abstecher von dem SH 6 ab der Ortschaft HAAS, der Küstenstraße folgend nach JACKSON BAY. Der Ort hat so wenige Häuser, dass man glatt hindurchfahren würde, mündete die Sackgasse hier nicht auf einem kleinen Wendeplatz mit Blick auf den Jackson Head. Die winzige Fischfabrik wird von den fünf Kuttern beliefert, die an der ehemaligen US Navy Brücke dümpeln. Hummerkäfige türmen sich auf dem Ponton. Die malerische Bucht ist in das tiefe Blau des Himmels gehüllt.

Da sticht der orangene Eisenbahnwagon am Meeresufer kräftig hervor. Kein Relikt der früheren US Truppen Präsenz, sondern ein  ehemaliger Zugwagon, welcher mit viel Liebe zu einem Fischrestaurant hergerichtet wurde. Das Interieur entspricht der „Holzklasse“ früherer Züge, retro-sympathisch. Eine Hälfte nimmt der offene Küchenbereich ein, die andere ist für die 12 Gäste vorgesehen. Mehr finden nicht Platz, wenn man von den drei Tischen auf der Außenterrasse absieht. Überraschend umfangreich gestaltet sich die Auswahl an Fischgerichten, natürlich alle unter den Augen der Gäste frisch zubereitet, bei moderaten Preisen. Der 35km umfassende Abstecher lohnt, landschaftlich wie kulinarisch.

Lake Wanaka
Lake Wanaka

Zurück auf dem SH 6 klettert  das Wohnmobil hinauf zum HAAST PASS. Von der Passhöhe (577m) gleitet der Blick hinunter zu den beiden großen Seen, dem Lake WANAKA und dem Lake HAWEA. Kurz nach dem Pass ändert sich die Landschaft allerdings radikal. Kein Wald, kein undurchdringliches Gestrüpp säumt mehr den Weg. Die Gipfel und Hänge der HARRIS MOUNTAINS und der PISA RANGE starren kahl, quasi unberührbar in die Welt. Als Spitzenwerte erreichen die Felskuppen gut 2.300m. In den höheren Regionen liegen noch puderzuckerartige Schneereste. Die helle, grau-gelbe Farbe der Felsen kontrastiert heftig mit dem Blau der beiden Seen.

Die Uferstraße – immer noch SH 6 – führt schließlich in den Touristenort WANAKA, in der Südspitze des gleichnamigen Sees gelegen. Wir nehmen den Ort als „Perle eines Stadtbildes“ wahr, weiträumig angelegt, muntere, farbenfrohe Innenstadt und eine Beispiel gebende, bilderbuchhafte Uferpromenade.

Eine weitere Besonderheit dieser Stadt darf nicht unerwähnt bleiben: das CINEMA PARADISO.

Cinema Paradiso-Wanaka
Cinema Paradiso-Wanaka

Die dort gezeigten Filme entsprechen dem Üblichen. Doch allein der eine von zwei Kinosälen ist eine Filmvorstellung wert. Der Besucher sitzt nicht, er ruht in weichen Sesseln aus Omas Zeiten, kann sich in Sofas kuscheln, nach einem stressigen Tag sich auch auf dem Massagestuhl niederlassen oder, für Draufgänger, in den entsprechend hergerichteten Autos Platz nehmen und als Fahrer, Beifahrer oder auf den hinteren Sitzen den Filmstreifen verfolgen. Selbstredend erhöhen Getränke und Snacks den Kinogenuss. Eine Pause ist auch vorgesehen, um sich Nachschub zu besorgen. Der Kinobesitzer lässt sich nicht lumpen und verteilt frische Muffins – just for free. Der Eintrittspreis für diesen vergnüglichen Kino-Ausstattungs-Muffin-Genuss hält sich mit 15NZD sehr im Rahmen.

Weiter rollen wir auf dem SH 6 südlich in die Provinz Otago nach QUEENSTOWN…

Queenstown
Queenstown

…. und können unserer bisherigen Hauptstadtsammlung nunmehr eine weitere hinzufügen:  „The Adventure Capital of the World“ wird die Stadt am Lake WAKATIPU auch bezeichnet. Oder sollen wir sie lieber die „größte Jugendherberge“ Neuseelands nennen?

DSCN4344Als erstes fällt die Altersstruktur der Menschen in  Straßen und auf Plätzen ins Auge. Nur an den acht Colleges kann es nicht liegen, dass wir überwiegend junge Leute im Studentenalter erblicken, bei rund 10.000 Einwohnern. Doch nun fasst der andere Aspekt, „ADVENTURE“.

Stadt und Gegend sind berühmt als Geburtsstätte für schon ikonenhafte Abenteuererlebnisse. Tourismusmanager denken dabei mit glänzenden Augen an Bungee Springen, Wildwasserfahrten, Stromschnellen Surfing, Canyon Schaukeln (eine Abwandlung von Bungee), Paragliding, Sky Diving oder Jet Boat Fahren.

Adventure
Adventure

Wasser- und Winterski, Klettertouren oder Kayaking zählen da bereits zu den biederen Freizeitbeschäftigungen. Kein Wunder also, dass von den jährlichen zwei Millionen Besuchern 65% unter 35 Jahre alt sein sollen. Und so summt und brummt es in Stadt und Land. Die Paraglider landen mitten in der Stadt auf dem Schulsportplatz gleich neben der Bergbahn. Im Seehafen starten mit lautem Getöse und leider auch viel Gestank die Jet Boats und Jet Skis.

Adventure-Nur Mut
Adventure-Nur Mut

Die Gondelbahn hinauf zum 800m hohen Hausberg beherbergt selbstredend auch die Bungee Jumping & Canyon Swinging Station. Von der Bergspitze aus starten außerdem die Paraglider, Sky Diver und Mountain Biker. Kurz und gut: Es ähnelt einem Ameisenhaufen oder dem Innenleben eines Bienenstocks, was sich dort auf Bergeshöhen abspielt, gar nicht zu reden von den „normalen Sightseern“.

Adventure
Adventure

Wie zugespitzt sich entsprechende Werbung präsentiert, mögen einige, zufällig ausgewählte Beispiele verdeutlichen: „The World’s Highest Cliff Jump“, „In this jungle of adrenalin, is this the GORILLA!“, „Experience the world’s most exciting SHOTOVER THUNDER JET with high cliffs-shallow water-rapids-willows & 360 degree spins“ oder eben auch „An adrenaline fuelling jet boat ride through the narrowest canyons“. Wer da nicht munter wird!

Hinter all diesen „ unvergesslichen und Ehrfurcht gebietenden / unforgettable and awe-inspiring“ Angeboten, müssen die zahlreichen Wandermöglichkeiten, die wunderbare Berglandschaft und die „Weinkultur“ der Umgegend ganz einfach den zweiten Rang einnehmen.

Entsprechend ausgerichtet haben sich dann natürlich auch Hotellerie, Gastronomie und Night Life Locations. So eine hohe Konzentration an „Backpacker Budget Accommodations“, preiswerten Verpflegungsstationen wie Pizzerien, Nudelfactories oder Fish & Chips Buden bzw. Discos ist uns auf der bisherigen Tour noch nicht begegnet.

Das soeben geschilderte Ambiente soll den weniger auf Adrenalinausstoß geprägten Reisenden von einem Besuch der Stadt allerdings nicht abhalten. Neben gepflegten bis luxuriösen Hotel- und Restaurantangeboten lässt sich auch mit beiden Beinen auf dem Boden viel Unvergessliches erkunden und erleben.

Der Spaziergang am Seeufer mit seinem Botanischen Garten auf einer Landzunge, die Kunsthandwerkermärkte und unzähligen Gemäldegalerien, Rundfahrten über Weingüter uvm kann schnell zur „pure inspiration“ führen.

TSS Earnslaw auf dem Lake Wakatipu
TSS Earnslaw auf dem Lake Wakatipu

Dabei steht der Lake WAKATIPU immer im Zentrum. 77km lang ruht er in „S-Form“ zwischen den EYRE und den RICHARDSON MOUNTAINS. Zumindest sieht es so aus. Denn in Wirklichkeit ruht er überhaupt nicht. Seine Wasseroberfläche nämlich hebt und senkt sich alle fünf Minuten um sieben Zentimeter. Diese Unruhe ist dem Umstand geschuldet, dass es sich um einen Gletscher-Vulkan-See handelt und es im Erdinneren darunter noch kräftig rumort.

Wenn man wie wir auf ihm allerdings eine gemütliche, 90-minütige Seerundfahrt genießt, spürt man die Tideaktivitäten überhaupt nicht. Unter den zahlreichen Möglichkeiten für großartige Rundfahrten sticht das Angebot der TSS EARNSLAW besonders positiv ins Auge. 1912 erbaut, dampft und stampft das 51m lange, mehrstöckige Boot seit nunmehr 103 Jahren über den See. Große Areale sind dem Sonnendeck vorn und achtern reserviert. Auf das Brückendeck neben den Kapitän darf der Passagier auch. Und an Technik Interessierte glauben sich im Maschinen- El Dorado. Im frei zugänglichen Schiffsbauch, direkt neben den pfeifenden und zischenden Druckkesseln, wird gefachsimpelt oder einfach den Erläuterungen des Schiffsingenieurs gelauscht. Kurz: ein Erlebnis, dass man nicht versäumen sollte (https://www.realjourneys.co.nz/en/experiences/cruises/tss-earnslaw-vintage-steamship-cruises/More-Info/#About-the-TSS-Earnslaw).

Vielleicht nicht gerade zum Bungee Springen, sondern um der fantastischen Aussicht wegen und dabei den Bungee-Springern zuzuschauen und ihrem „Schreck-Quieken“ zuzuhören, nehmen wir die Skyline Gondola hinauf auf Queentowns Hausberg, den BOBS PEAK. Unvergesslich wird davon der Panoramablick über die Stadt, Berge und See bleiben. Unvergesslich sicherlich aber auch die Preise für Bahn, Lunch und Getränke.

Beschauliches Glenorchy
Beschauliches Glenorchy

Bevor wir den „Adventure Hexenkessel“ wieder verlassen, erfreuen wir uns noch an der 40km langen Sackgassen-Uferstraße in die Nordspitze des Sees, nach GLENORCHY. Mit einem tiefen Durchatmen ob der Ruhe und Beschaulichkeit dieses Seezipfels lassen wir die „adventurous, breathtaking experiences“ hinter uns. Denn das 350-Seelen-Dorf verspricht „Gateway to Paradise“ zu sein. Doch ein Paradies beinhaltet bekanntlich für jeden etwas anderes.

Wir folgen nunmehr zunächst weiterhin dem SH 6 Richtung Fjordland National Park. Unterwegs erweitern wir unseren „Hauptstadt-Fundus“ um ein weiteres Exemplar. „Capital of the Beer“ prangt auf dem Ortsschild der Gemeinde MOSSBURN. Doch warum bleibt ein Rätsel. Keine Brauerei in Sicht, auf der Hauptstraße ist nur ein einziges, absolut leeres Café zu entdecken. Die Nebenstraßen bleiben den Wohnhäusern reserviert. Der Durstige muss unverrichteter Dinge weiterziehen. Vielleicht hat das Dorf einmal bessere Zeiten gesehen.