K&K23 – Von armen Würstchen, verpassten Chancen und Nugget-Angeboten

Es klingt nicht nur nach buntem Gemisch, es wird auch so kommen!

Pazifik bei Bluff
Pazifik bei Bluff

Das FJORDLAND liegt nur hinter uns. Wir nehmen die SCOUTHERN SCENIC ROUTE nach Süden Richtung INVERCARGILL, also in die Südspitze der Südinsel.

Dieser besondere Highway beginnt in TE ANAU und endet nach 600km an der Ostküste in DUNEDIN. Das ist allerdings nur die reine Fahrstrecke ohne Besichtigungen. Wenn man all die Umwege, Schlenker und Abstecher hinzurechnet, um an die Sehenswürdigkeiten zu gelangen, dann zeigt der Kilometerzähler auch schnell mal 800km Strecke an. Doch die Umwege lohnen!

Der erste Routenabschnitt von TE ANAU über MANAPOURI bis nach TUATAPERE zeigt nichts Spektakuläres: Saftiges Farmland, Marschwiesen, hin und wieder ein Waldstück und grüne, weiß-schwarz gesprenkelte Hügel. Nach dem aufregenden Fjordland tut diese Ruhe wirklich gut. Zwischendurch hier mal ein kleiner Wasserfall, dort mal eine besondere Brücke oder kleines Heimatmuseum, die Mehrheit der Hingucker gewinnen eh die unzähligen Schafe und Rinder. Wir befinden uns in einer Region mit sehr produktiver Fleisch- und Milchgewinnung sowie Käseherstellung.

Tuatapere
Tuatapere

Nach gut 150km kündigt sich der 600-Einwohnerort an als             „New Zealand’s Sausage Capital“. Eine Pause schadet bekanntlich nie, zumal dann nicht, wenn sie lecker gefüllt werden kann. Also stellen sich die Geschmackssensoren auf einen wurstigen Lunch ein. „Arme Würstchen“ kann man nur sagen. Im ganzen Dorf gibt es weder einen Schlachter noch ein Café oder Restaurant, das mit der „Hauptstadt-Ware“ auch nur annähernd in Berührung kommt. Weder das eine noch das andere waren überhaupt vorhanden. Nichts mit „Würstchenmetropole“! In der i-site zuckt man nur mit den Schultern. „Wird wohl tiefste Vergangenheit gewesen sein“, lässt man uns wissen.

Nugget Point
Nugget Point

Der Enttäuschung folgt die Entschädigung auf dem Fuß, nicht in kulinarischer, sondern in optischer Hinsicht. Wir sind an der Südküste angelangt. Die raue, ewig windige Tasman Sea hat uns wieder. Der erste kleine Küstenort RIVERTON erweist sich als weiteres Surferparadies. So geht es dann Schlag auf Schlag mit den malerischen Küstenstädtchen bis hinunter nach INVERCARGILL.

50.000 Einwohner zählt dieser 1860 von Schotten gegründete, zentrale Ort des Südens. Geprägt wird er vor allem durch seine Aluminiumwerke. Doch man findet auch Sehenswertes, den Queens Park z.B., das Southland Museum oder die städtische Art Gallery. Sie gilt als „zweitschottischste Stadt“ Neuseelands. Als „schottischste“ nennen die Neuseeländer das Dorf PUHOI auf der Nordinsel (vgl. K&K06). Doch der Name Invercargill deutet auf das Mutterland hin, denn INVER bedeutet auf Gälisch „Mündung“. Man denke an „Inverness“ im wirklichen Schottland. Doch „Cargill“ ist kein Flussname, wie man vermuten könnte. So hieß ein ehemaliger Gouverneur, der die Stadt richtig in Schwung brachte.

hare krsna
hare krsna

Man muss hier nicht allzu lange verweilen, denn 30km „tiefer“, in der Südspitze lockt die Hafenstadt BLUFF, gegenüber von Stewart Island. „Land’s End“ kennen wir alle vom englischen Cornwall her. Hier steht der Zwilllingshinweis direkt auf dem Südfelsen. Wir sind nur 18.000km von London entfernt, 6.000km vom Südpol und 3.800km vom Äquator. Ähnliches konnten wir bereits an Neuseelands Nordspitze, dem CAP REINGA lesen (vgl. K&K 09). Und natürlich erklimmen wir auch den Hausberg mit seiner Aussichtsplattform, 150m über dem Meeresspiegel mit 360° Rundumsicht. Alles Touristische erscheint uns liebevoll und mit viel Engagement hergerichtet.

Mit der Richtung dreht sich auch das Wetter. Die Süd- kurz darauf die Ost -Küste nach Norden Richtung Dunedin wird es wenige Kilometer hinter BLUFF schnell wärmer und sonniger, fast wie in einer anderen Welt. Diesen Wechsel vollzieht auch die Natur, denn wir durchfahren nunmehr die CATLINS. Offiziell beginnen sie im Ort FOTROSE an der Südküste und enden am KAKA POINT an der Ostküste. Ins Inland hinein erstrecken sich weite, mit Hartholzbäumen bestandene Wälder voller größerer und kleinerer Wasserfälle.

Einer von ihnen erweckt besondere Aufmerksamkeit: THE NIAGARA FALLS. Nordamerikas Konkurrenz. Vielleicht, aber hier ist er fairer Weise als „ einer der kleinsten Wasserfälle der Welt“ betitelt. Es war ein sicherlich humorvoller Kartograf, der sich diese Bezeichnung einst ausdachte. Die annähernde Form des großen Bruders besitzt er ja, wie er niedlich keine zwei Meter eine Steinstufe hinab plätschert.

Eine weitere Kuriosität begegnet uns. Auf einer Straßenkuppe machen wir einen „bunten Punkt“ aus, der sich langsam fortbewegt. Beim Näherkommen entpuppt er sich als bunt geschmückter „Einspänner“ mit einem zweirädrigen Karren. Zunächst denken wir an einen Wanderpuppenbühne. Ein Gespräch verdeutlicht anderes. Ein nicht mehr ganz jungendfrischer „Hare-Krisna-Jünger“ wallfahrt ein ganzes Jahr lang vom südlichen BLUFF zum nördlichen CAPE REINGA. Die Missionsreise unternimmt er zum 50. Jahrestag  der ISKCON-Gemeinde des Großmeisters Acharya. Befragt, wie er missioniert, erwidert er:“Padayartra- Walking is the Talking“. Bis zum 1.300km entfernten neuseeländischen Nordkap kann er dann ja noch viel „reden“.

Vorsicht
Vorsicht

Wir ziehen weiter die Küste entlang zur Curio-Bay mit seinem Petrified Forest. Um die kristallisierten Baumreste zu entdecken, muss man bei Ebbe dort sein, denn erst dann wird das weit ins Meer hinaus ragende Felsplateau freigelegt. Bei genauem Hinsehen sind versteinerte Baumstümpfe zu erkennen. Mit etwas Glück stößt man auf einen bunten, kristallisierten Baumbrocken. Wir haben Glück!

Die Küste der CATLINS bietet noch mehr: Sie steckt voller frei beobachtbarem Wildlife. Schwer zu finden sind die Gelbaugenpinguine. Sie kommen meistens nur am späten Abend ans Ufer zurück. Häufig hingegen trifft man bei Strandspaziergängen auf Meereskolosse, die Seelöwen. Sie sind offensichtlich nicht scheu, ergreifen bei Annäherung nicht gleich die Flucht. Doch Vorsicht ist geboten! Jetzt in der Zeit der Aufzucht ihrer Jungen können die Weibchen schnell aggressiv werden. Was auf den ersten Blick unförmig und bewegungsunfähig erscheint, entpuppt sich rasch als „Sprinter“. Also  Vorsicht . Der „Sicherheitsbereich“ darf nicht betreten werden.

Die vielen einzelnen Points, Heads und Kaps aufzuführen, würde Seiten füllen. Alle sind gut ausgeschildert, hier gibt eine „Cathedral Cave“, dort ein „Blowhole“ und immer wieder Mengen an Seevögeln, Seelöwen und Seehunden oder mit Glück Pinguine zu sehen.

Dunedin-St. Paul's Cathedral
Dunedin-St. Paul’s Cathedral

Kommen wir zu  den Nuggets. Die Otago Goldfields im Binnenland waren berühmt, berüchtigt. Ob viele dort ihr Glück gefunden haben, bleibt eher zweifelhaft. Sonst wäre die Ära nicht so rasch zu Ende gegangen. Das ist Geschichte, wir bleiben in der Gegenwart, denn  ein Felskap sticht hervor, der „Nugget Point“ am Ende der CATLINS. Ein wahres Juwel! Die Auswirkungen von ständigem Wind und Sturm lässt sich hier gut an Bäumen und Sträuchern studieren. Die dem Wind zugewandten Seiten bleiben kahl. Die Gewächse wachsen derart schief, krumm und gebeugt, dass sie  oftmals aussehen, als kriechen sie am Boden entlang.     Der Wanderweg an der Felskante führt vorbei an verschiedenen Vogel- und Seehundkolonien, bietet eine fantastische Aussicht auf den Pazifik und die umliegende Berglandschaft. Nach einigen Kilometern Panoramarundweg gelangt man zum strahlend weißen Leuchtturm.

Auf der Hauptverkehrsverbindung SH 1 steuern wir MILTON an. Der Ort wirbt mit dem Slogan: „The Town of Life, Pleasure & Opportunities“. Bei so viel Präzision in der Aussage fällt auf, dass mindestens eine Chance verpasst wurde, nämlich die pulsierende Fernstraße SH 1 korrekt und störungsfrei durch den Ort zu führen. Sie verläuft zwar als Hauptstraße quer durch die Einkaufsstraße. Aber die Planer müssen sich nicht einig gewesen sein. Denn an einer Stelle treffen das Nord- und das Südende um eine Straßenbreite versetzt aufeinander. Eine Verschwenkung versucht nunmehr, das Gröbste zu korrigieren, Stau inbegriffen.

Albatross
Albatross

Als ein wahrer Nugget erweist sich die Hafenstadt (50.000 Einwohner) DUNEDIN. Überwiegend von schottischen Einwanderern geprägt, sollte sie ja eigentlich New Edinburgh heißen. Heißt sie eigentlich auch, denn der Name Dunedin stellt die anglisierte Form des schottisch-gälischen Dùn Èideann für Edingburgh dar und bedeutet Festung am Hügelhang.  Traditionell Schottisches prägt das kulturelle Leben der Stadt mit seinen immerhin drei Dudelsackbands und zahlreichen entsprechenden Kultur- und Traditionsvereinen.  Auf dem zentralen innerstädtischen Platz, dem „Octagon“ erweist man in einem kleinen Park dem schottischen Nationaldichter Robert Burns mit einem großen Denkmal die Ehre (vgl. hierzu unseren Blog über die Schottlandtour aus 2014).

Pinguin DSCN4886Bei der Vielzahl der für Touristen interessanten Angebote muss man sich die Nuggets unter ihnen heraussuchen. Dazu zählt aus unserer Sicht der „Octagon“. Der Platz liegt im Stadtzentrum und stellt den Nerv der Stadt dar. Den Rahmen des „Achteckes“ bilden die sehenswerte St. Paul’s Cathedral in unmittelbarer Nachbarschft zum fassadenreichen Rathaus. Einige Schritte weiter kann man die die ebenfalls besuchenswerte First Church betreten, um später einige hundert Meter weiter am historischen Bahnhofsgebäude zu landen. Mit seinem 37m hohen Turm soll es zu den schönsten Steinbauten des Landes gehören. Ohne  eigentlichen Hinweis auf „   Railway Station“ glaubt der Betrachter sich eher vor einem Herrenhaus denn einer Bahnhofshalle. Es gibt heute von hier zwar keinen regelmäßigen Zugverkehr mehr, wird alles über Fernbusse abgedeckt, historische Fahrten ins Hinterland können jedoch gebucht werden.

Unter den in großer Anzahl vorhanden Kunstgalerien und Museen wollen wir das „Toitù – Otago Settlers Museum“ hervorheben, nicht nur wegen des freien Eintritts. In vielen interaktiven Ausstellungen wird eindruckvoll die Besiedlungsgeschichte der Otago-Provinz aufgezeichnet, vom polynesischen Beginn über die Maori -Vorherrschaft bis zum modern europäisierten Computerzeitalter – ein Nugget ersten Ranges!

Cabury World
Cabury World

Wer kann schon seinen Tag mit einem leckeren Schokoladenfrühstück beginnen und dabei auch noch umfangreich Informatives über dieses Genussmittel erfahren. Wir können es bei einem morgendlichen Besuch der weltbekannten „Cadbury“-Schokoladenfabrik. Neben den Informationen, dem Stadtrundblick von der Dachterrasse aus gibt es variantenreiche Naschgelegenheiten, wird jedem Besucher unterwegs nach und nach eine Tüte mit den verführenden Produkten vollgepackt und mündet schließlich im Café zum „süßen Frühstück“. Freunde des Herzhaften können natürlich auch „Unsüßes“ wählen. Der Vormittag ist gelungen, der Bedarf an Süßem innerlich und äußerlich für eine gewisse Zeit gedeckt – ein wahrer SchokoladenNugget!

Steil nach oben geht in der Stadt die „Baldwin Street“. Sie ist angegeben als „steilste Straße der Welt – Anstieg / Gefälle 1:26“. Ob das stimmt? Mag so sein. Aber abenteuerlich sieht es schon aus, wenn die Autos dort emporklimmen. Man bekommt Angst, dass sie jederzeit zurückrollen könnten. Unserm Wohnmobil haben wir diese Prüfung erspart.

DUNEDIN wäre ohne seine Halbinsel OTAGO allein vielleicht nur halb so reizvoll. Außer den Naturschönheiten mit dem sie umgebenden stürmischen Pazifik bietet sie einmalige Anlaufpunkte. Auf einem Hügelgipfel thront „Larnach Castle“, Neuseelands einziges Castle. Ganz im schottischen Stil erbaut (1870/71), brachte es dem damaligen Besitzer William Larnach allerdings nicht das erhoffte Glück – eine verpasste Chance. Für ihn war es das beweisende Nugget seiner Liebe zu einer Frau Eliza. Sie hatte wohl eine grundverschiedene Geschmacksauffassung. Jedenfalls wurde sie nicht glücklich im Herrensitz. Auch der später in einem Schlossflügel angebaute Ballsaal als Geschenk für die Geburt einer Tochter, traf nicht den Nerv. Hätte man vorher intensiver nachfragen sollen, was Madame sich wünschen? So blieb diese Ehe unglücklich und er wurde buchstäblich ein „armes Würstchen“. Dem heutigen Betrachter bietet sich hingegen ein leibhaftiger optischer Nugget mit Castle und idyllischem Schlossgarten.

Larnach Castle
Larnach Castle

Gleichermaßen wunderschön anzusehen ist das vom Castle nicht weit entfernt gelegene Maori Marae. Dieses Versammlungshaus mit Kirche wurde errichtet zum 100. Jahrestag des 1840 geschlossenen „Waitangi-Vertrages“ (vgl. K&K 08-Geburtsort einer Nation). Was kunstvoll geschnitzt aussieht, erweist sich beim zweiten Blick als filigrane Musterung aus Beton.

Weit hervorstechender als diese historischen Orte sind jedoch die „Wildlife“-Begegnungen rund um die Halbinsel. Das „Royal Albatross Center“ widmet sich dieser seltenen Wasservogelart. In einer geführte Tour kann man zu dieser seltenen Vogelkolonie gelangen, ebenso abends – ebenfalls nur geführt – zu den Übernachtungs- und Nistplätzen der „Blauen Pinguine“.

Wer es ausführlicher möchte, nehme an einer umfangreichen „Wildlife Tour“ teil. Selbstredend gibt es auf diesem Sektor ein weit gefächertes Angebot. Als herausragender Nugget unter den Konkurrenten nennen wir „elm wildlife tours“ (www.elmwildlifetours.co.nz ). In einer 61/2-stündige Kombinationstour zu Wasser und zu Lande werden wir geleitet zu dem Albatrossfelsen meerseits mit Beobachtung dieser Vögel im Flug (3m Flügelspannweite) und bei der Nahrungssuche. Weiter geht es dann per Kleinbus an zwei einsame Buchten zum Besuch bei den Seelöwen, Gelbaugenpinguinen und Seehunden. Seehundfamilie DSCN4934Was hier zunächst banal klingt, da solche Beobachtungsmöglichkeiten bereits öfter angeführt wurden, erweist sich jedoch als echter Nugget. Die Buchten sind so weit entfernt gelegen, dass jeweils eine Wanderung von ca. einer Stunde notwendig ist. Man klettert hinab an die Strände zum hautnahen Seelöwenkontakt. Anschließend verschwindet man in mehreren Beobachtungsschutzhütten, um den Pinguinen bei der abendlichen Heimkehr aus dem Meer bzw. dem Brutgeschäft zuzuschauen. Den felsig-grasigen Abstieg wieder hinauf geht es weiter zum nächsten Küstenriff, zur Seehundskolonie. Alle rund 30 Familienmitglieder rekeln sich auf den Felsen. Was zunächst wie leicht überdimensionerte Würmer aussieht, wird im Beobachtungsverlauf dann allerdings von den Seehundmüttern gesäugt. Wir erleben die spannende Periode von Geburt und Umsorgung von Seehundbabys. Kein Wunder also, dass die doch wohltuend umfangreiche Wildlife- Tour wie im Fluge vorbeigeht. Wer nach einem „Sightseeing-Nugget“ sucht, mit dieser Exkursion findet er einen solchen.