K&K 38 – The Great Ocean Road

Nach dem Tasmanien Abenteuer wieder kontinentalen Boden unter Reifen und Füßen starten wir Richtung Westen. Wir wollen eine der Traumstraßen der Welt bereisen: Australiens Great Ocean Road.

Auf knapp 300km erstreckt er sich immer entlang der Südküste, von TORQUAY bis NELSON. Erbaut wurde er von heimgekehrten Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, sozusagen als Reintegrations- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. So konnte er dann nach 14-jähriger Bauzeit am 1.Dez. 1932 feierlich eröffnet werden.

Surfstunde
Surfstunde

Natürlich hat man sich durch seinen Bau auch einen Zuwachs an Tourismus erhofft. Die Erwartungen werden offensichtlich mehr als erfüllt. PKW, Busse, Motorräder, sie alle schnüren die Panoramastraße entlang, nicht selten so dicht hintereinander wie Perlen an einer Kette. In beide Richtungen wohlgemerkt, Ost-West wie West-Ost. Die Ortschaften auf ihrem Weg gleichen touristischen Boomtowns.

Surfstundenresultat
Surfstundenresultat

Als offizieller Startpunkt der Küstenstraße gilt TORQUAY, rund 100km süd-westlich von MELBOURNE. Damit haben wir auch gleich einen der zahlreichen Höhepunkte angelaufen. Sie gilt nämlich als Surfing Capital. Surfen gilt hier nicht nur als Wassersport, es hat ikonenhaften Status erreicht. Jedes zweite Geschäft verdient mit Surfen im weitesten Sinn sein Geld. Surfschulen findet man natürlich an jeder Straßenecke. Durch Gründung und Betrieb einer Surf Academy werden obendrein noch Wissenschaft und Forschung hinzugefügt. Kein Wunder, dass es in der Stadt und an den Stränden vor „Studenten“ nur so wimmelt. Die meisten auf der Suche nach dem besten Surf.

Einen Besuch wert ist das Nationale Surf Museum mit der angegliederten Hall of Fame. Zum einen verdeutlicht es  die nunmehr 100-jährige Geschichte dieser Sportart. Zum anderen findet hier jeder seinen Surfhelden, der es diesbezüglich national oder auch weltweit zu etwas gebracht hat. Hier an der Surf Coast wird sowohl um die australischen Meisterschaften als auch um den Weltmeistertitel gekämpft .

Lorne
Lorne

Für den Betrachter bietet sich vom Strand oder der Klippe aus ein vielfach waghalsiges, spannendes und packendes Spektakulum der Wellenreiter.

Natürlich endet die Surf Coast nicht bei TORQUAY. Dieser so benannte Küstenstreifen erstreckt sich bis ins rund 100km entfernte APOLLO BAY. Unterwegs in Orten wie BELLS BEACH, ANGLESEA, AIREYS INLET, LORNE oder auch KENNETT RIVER findet jeder sein Surfparadies.

Einladend schmücken sie sich alle, diese kleinen Orte. Die Hotels, Motels, B&B-Unterkünfte und auch die Campingplätze bieten fast ausnahmslos direkten Strand- und Meereszugang. Gut und großzügig ausgestattet sind die Dörfer und Städtchen alle im Hinblick auf Parkplätze, die oft kostenfrei benutzt werden dürfen.

Und die Panoramastraße selbst? Sie ist eingeklemmt zwischen Gebirge und Meer, verläuft in unzähligen Windungen, stets bergauf und bergab. Nicht selten ist sie nur für ein Fahrzeug breit genug. Glücklicherweise haben die Erbauer sie gespickt, wo immer möglich, mit Ausweichstellen, Überholspuren oder den beliebten „Turn Outs for Slow Vehicles“. Man braucht gar nicht erst auf einen „Lookout“ zu warten. Die Postkartenmotive ergeben sich automatisch hinter jeder kleinen, meist mit einer Felsnase besetzten Kurve. Und tief unten, in vielleicht 80m, 100m oder auch 150m Tiefe donnern Wellenbrecher an die von Riffen durchzogene Küste, in ruhigeren Buchten auch auf wie Gold glänzende Strandabschnitte.

Da uns dieser Küstenabschnitt so sehr fasziniert, durchfahren wir die Strecke LORNE – APOLLO BAY (ca. 50km) gleich doppelt, d.h. auch wieder zurück von APOLLO BAY nach LORNE. Die gleiche Straße, aber völlig verschiedene Perspektiven eröffnen sich dem Betrachter. Nun stehen wir als wieder im östlicheren LORNE, wollen aber eigentlich nach Westen. Was tun? Es geht nun ein drittes Mal auf die 50km-Piste. Und selbst bei Regen und streckenweise Nebel strahlt der Great Ocean Road Anziehendes aus.

Mit dem Wetter ist das hier so eine eigene Sache. Wer glaubt, Südaustralien schwitzt nur so vor Dauerhitze, sollte lieber einen warmen Pullover und festen Regenschutz einpacken. Die kapriolenhaften Wetterverhältnisse wechseln so schnell wie die Windrichtungen. Eben noch mehr als 40°C schattige Tagestemperaturen, dann Temperatursturz in der Nacht auf lausige 15°C ohne nennenswerte Erholung am darauf folgenden Tag. Dieses Wechselspiel bleibt keine Einmaligkeit!

Erskine Falls
Erskine Falls

Wir erreichen den Vorzeigeort LORNE. Eigentlich auch lediglich ein angenehmer Touristenflecken wie alle anderen, wäre da nicht das Great Ocean Road National Heritage Center. Sehr eindrucksvoll, in Fotos, Filmen und anhand von aufgezeichneten Zeitzeugenschilderungen, werden in diesem Museum Idee, Planung, Ausführung und natürlich auch Menschen des Jahrhundertbauwerks  dokumentarisch beleuchtet. Um die Historie der Traumstraße einigermaßen verstehen zu wollen, sollte man reichlich Zeit mitbringen. Ein anschließender Spaziergang – im Sonnenschein? – auf der Uferpromenade liefert dann den Entspannungsfaktor.

Die zweite Erholungsphase finden wir bei der Besichtigung der Erskine Falls. Rund 12km von LORNE entfernt, plätschern sie in einem tiefen Urwaldtal unaufhörlich vor sich hin. Das Wort „plätschern“ trifft auch den Sound des Wasserfalls. In dünnen Fäden fällt das Wasser durch dichtes Buschwerk zu Tal. 250 steile Treppenstufen führen von der oberen Wasserkante zum Auffangfelsbecken im Halbdunkel.

Küstenkunst
Küstenkunst

Weiter windet sich die Traumstraße westwärts am Felsen entlang. Doch jetzt kennt man das Geschäft bereits: dichter Regenwald auf der rechten Seite, mittens zwei schmale Fahrspuren, links ungestörte Meeresblicke. Sicherlich wegen der kurvenreichen Straße und den vielen Stopps zwischendurch kommt es einem lang vor bis zum nächsten Ort KENNETT RIVER, obwohl die Distanz lediglich 20km beträgt.

Sieben Häuser, ein Café, ein Campingplatz mit Surfstrand. Mehr Infrastruktur umfasst die Gemeinde nicht. Dennoch herrscht hier ein Touristentrubel sondergleichen. Große Tagestouranbieter preisen und laufen dieses Nest besonders gern an. Warum? Koala DSCN8867Direkt neben dem Café schläft eine Koala-Kolonie in den Astgabeln der Eukalyptusbäume. – hautnah, mitunter auf Augenhöhe, immer fotogen in Positur. Es ist schon erstaunlich, wie fast ausschließlich schlafende Kreaturen Menschenmassen in Aufregung versetzen können. Die lieben Tiere lassen sich auch vom Trubel um sie herum überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Selbst – verbotenes – Streicheln nehmen sie offenbar so gut wie gar nicht zur Kenntnis. Wer von dem Anblick selbst müde wird, sollte gleich einen Stellplatz auf dem Campingplatz nebenan buchen. Er muss deshalb nicht auf die lieben Tierchen verzichten, denn dort lebt, besser schläft, eine zweite Koala-Kolonie. Warum bei Schlaflosigkeit eigentlich immer „Schäfchen zählen“? Länger andauernde Beobachtung der Koalas wirkt wie ein Schlafmittel.

Allfarblori
Allfarblori

Genau das Gegenteil von den Schlafgenossen sind die munter umherfliegenden Papageien. Sie sind derart an Menschen und das im Café zu erstehende Futter gewöhnt, dass sie auf ausgestreckte Arme fliegen oder sich auch unaufgefordert auf Menschenköpfen niederlassen – kostenloser Zoo und Zirkus am Wegesrand.

Dichter an der Küste kann die Straße nun kaum noch am Meer entlang führen als die 25km bis APOLLO BAY. Dieser Abschnitt wird als der dramatischste bezeichnet. Bei starkem Wind spritzt die Wellengischt 20m bis auf die Straße hinauf. Scheibenwischer und Klarspüler sind eher gefragt als Sonnenbrille. Wenn nicht hier wo sonst sollte die Straße mit Postkartenidylle die werbemäßig produzierten gedanklichen Voreinstellungen erfüllen! Wie nennt es eine Tourismusbroschüre? Die Fahrt auf dem Great Ocean Road ist keine Tour, sondern eine Lebensreise. Stimmt!

Cape Otway
Cape Otway

Nach diesen rund 100km Naturdramatik wird es erst einmal ruhiger. Die Touristenströme versiegen unversehens. Die Straße biegt ab ins Binnenland und führt durch dichten native bush zum Cape Otway mit seinem historischen Leuchtturm. Der Name des Küstenabschnittes ändert sich ebenfalls. Er nennt sich jetzt Shipwreck Coast, sicherlich nicht so nach Abenteuer klingend wie Surf Coast.

Auf der schmalen 12km langen Zufahrtsstraße zum Cape Otway Leuchtturm sind wiederum die „schlafenden Gesellen“ anzutreffen. Allerdings sind sie nicht mehr so leicht zu entdecken in dem hohen Eukalyptuswald. Und wie findet man sie dann? Einfach schauen, wo Menschen am Straßenrand parken, den Blick und die Kameras in die Baumkronen richten. Damit hat man die höchste Trefferquote.

Am Kap angekommen lädt ein 2km langer Rundweg (19,50AUD /ca.13€ Einritt!) zu einer Kurzwanderung ein, vorbei am ehemaligen Wohnhaus des Leuchtturmwärters und seines Vertreters bis hin zum Leuchtturm selbst. Es lohnt, auf die Aussichtsplattform zu klettern und den Rundblick zu genießen. Dann kann es auch schon weitergehen.

Twelve Apostles
Twelve Apostles

Die Verkehrs- und Touristenruhe dauert jedoch nur kurz. Denn knapp 40km Kilometer hinter dem Otway Reservat folgen Schlag auf Schlag, meist in nur einem Kilometer Abstand voneinander, die Hauptanziehungs- und Besichtigungspunkte des Great Ocean Road.

Frühsportler dürfen zunächst 250 Stufen einfache Strecke die sogenannten Gibsons Steps zum Strand hinunter und wieder hinauf turnen. Es folgen kurz dahinter die 12 Apostel, die niemals 12 waren. Sieben sind zu bestaunen, der achte mochte irgendwann nicht mehr stehen und ist einfach umgekippt. Steil ragen diese Felsstelzen, fast verloren wirkend ohne Anbindung zum Festland, in der rauen See empor. Shipwreck Coast besagt, dass an diesem, wie gesagt, von Felsriffen durchzogenen Küstenstreifen zwischen APOLLO BAY und PORT FAIRY in den vergangenen zwei Jahrhunderten 200 Schiffe zerschellt und gesunken sind. Die meisten Schiffbrüche ereigneten sich im 19. Jahrhundert zur Zeit der großen Einwanderungswellen aus Europa. Eine spektakuläre Schiffskatastrophe geschah vor dem sogenannten Loch Ard Gorge in direkter Nachbarschaft zu den 12 Aposteln. Der an der Küste entlang laufende Shipwreck Walk erzählt die tragische Geschichte.

The Arch
The Arch

Mittlerweile führt der Great Ocean Road bis PORT CAMPBELL durch flache Weidelandschaft. Das bedeutet nicht, dass die Küstenausblicke weniger dramatisch werden. Beim Dorf PETERBOROUGH treffen wir auf die monströse Felsbrücke The Arch, kurz darauf auf London Bridge. Diese Brücke kann man allerdings heute nicht mehr antreffen, denn 1990 brach sie unerwartet in sich zusammen. Auf der kleinen Felsinsel, die sie dadurch hinterließ, mussten auch zwei Besucher stundenlang auf Rettung per Helikopter warten. Der Weg zum Festland war ihnen durch den Einsturz abhandengekommen. Schließlich stoßen wir auch noch auf The Bay of Mystery und rollen hinein in den besagten Bilderbuchort PORT CAMPBELL.

Ehemalige London Bridge
Ehemalige London Bridge

Kurz hinter dem Städtchen endet der offizielle Great Ocean Road. Die Fortsetzung trägt den Namen Princes Highway. Wir folgen ihm weiter bis WARRNAMBOOL. Nach rund 200km Küstenstraße treffen wir hier zum ersten Mal wieder auf eine größere Stadt (32.000 Einwohner). Malerisch in eine Felsbucht gebettet, zeigt sie sich  in ihrer ganzen Schönheit. Breite, von Bäumen gesäumte Straßen sind ebenso wohltuend anzuschauen wie die zahlreichen Parks. Eine lebendige, saubere Innenstadt eignet sich herrlich zum Bummeln. Der Flagstaffhill mit seinem Maritime Village, einem Freilichtmuseum, zeichnet die Ära der 1870ger Jahre nach. Abends wird dort in einer Lasershow eine der zahlreichen Schiffskatastrophen nachgestellt. Voller Stolz weist man darauf hin, dass Museum und Show kürzlich die Auszeichnung Australia’s Most Awarded Maritime Precint“ erhalten haben.

Warrnambool Küste
Warrnambool Küste

Die Küstenfahrt, gespickt mit einzigartigen Sehenswürdigkeiten, geht eigentlich noch bis ins 100km entfernt liegende NELSON. Wir verlassen jedoch für kurze Zeit Meer und Felsen. Denn wir wollen einen Abstecher ins Binnenland unternehmen mit dem Hauptziel The Grampians National Park.