On Tour 10–IRL/Südwesten „The Wild Atlantic Way”

Diese Panoramastraße verläuft auf ca. 2.500km vom Süden Irlands, vom „Old Head“ bei Cork bis hoch oben in den Norden nach Malin Head im Donegal County Mit rund 160 „Must-See“-Sehenswürdigkeiten nennt der Tourismusminister es „einen unvergesslichen Abenteuertrip“. Wir bereisen im Moment die Südwestecke dieses Trails.

Mizen Head
Mizen Head

Raue, felsige Klippenlandschaft prägen die vielen Landzungen und Caps hier im Südwesten, wie z.B. den Mizen Head oder den Sheep’s Head. Um an die äußersten wind- und meeresumtosten Landspitzen zu gelangen, muss man oft mehrere Kilometer durch gebirgige, schroffe Landschaft kraxeln. Ja, die bis zu 800m hohen Berge zeichnen sich häufig durch große Felsmassive aus – eigentlich eine Landschaft, die nicht so recht ins vorgeprägte Irlandbild passt. Ebenso wenig erwartet man eine subtropische Flora. Doch es gibt sie häufig am südwestlichsten Punkt der Insel, die von Palmen gesäumten Gärten. Besonders hervorzuheben sind hierbei der „Bamboo Park“ im Hafenort Glengariff sowie gleich nebenan „Garinish Island“.

Und erst die kleinen Badeorte an diesem Küstenabschnitt. Alle wohltuend, unaufdringlich touristisch durchgestylt, egal ob Baltimore, Cobh (sprich: Cove), Kinsale oder auch Bantry. Die meisten werden von Burgen oder was von ihnen übrig blieb überragt; vielfach prägen überdimensionale Kathedralen das Stadtbild.

Sheep's Head
Sheep’s Head

Die Halbinseln im äußersten Südwesten, wie die „Beara Pensinsula“ haben darüber hinaus den Vorteil, dass sie nicht so von Touristen überlaufen sind wie die nördlicheren Schwestern, die Iveragh Peninsula mit dem weltberühmten „Ring of Kerry“ oder die „Dinglenase“.

Doch hier in der Südwestecke gibt es noch die einsamen, verwunschenen Ecken, zu denen nur äußerst schmale Straßen führen. Was kümmert da der offizielle Linksverkehr, wenn der Wirtschaftsweg nicht breiter ist als das eigene Wohnmobil. Schweißperlen auf der Stirn und leicht feuchte Hände stellen sich erst bei Gegenverkehr ein, zumal links und rechts am Wegesrand nur ein tiefer, modriger Graben jegliches Ausweichen so gut wie unmöglich macht. Wie heißt es so schön? In der Ruhe liegt die Kraft!

Picken wir einige besonders besuchenswerte Highlights heraus. Natürlich hat vorchristliche Ritualkunst auch in diesem Landstrich ihre Spuren hinterlassen. Steinkreise sowie die „Standing Stones“ sind über den gesamten Landstrich hinweg zu finden.

Das Küstenort Baltimore, heute ein kuscheliges Hafenstädtchen, musste seinerzeit eine bizarr grausame Zeit durchmachen,  als 1631 algerische Piraten rund 100 damalige Einwohner in die Sklaverei entführten.

Grausam zeigte sich ebenfalls Irlands schwere Hungersnot der 1840ger Jahre. Zahlreiche Missernten des irischen Grundnahrungsmittels, der Kartoffel, ließen allein in dieser Südwestregion mehr als 10.000 Menschen sterben. Das „Heritage Center“ in der Kleinstadt Skibbereen dokumentiert hervorragend dieses düstere Kapitel.

Cobh-Emigranten-hist. Abfertigungshalle
Cobh-Emigranten-hist. Abfertigungshalle

Nicht zuletzt hierin lag auch ein Grund, warum in den folgenden Jahren mehr als eine Million Iren ausgewandert sind, um sich in den USA, Kanada oder auch Australien eine neue Existenz aufzubauen. Bei der Durchleuchtung dieser Auswanderungsbewegung trafen wir auf die Ahnen bekannter Persönlichkeiten. Allen voran zu nennen sind die Urgroßeltern vom früheren amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. Ihm zu Ehren gibt es ein eigenes „Kennedy-Arboretum“. Der dazugehörige Heritage Trail geleitet den Reisenden dann in die Kleinstadt New Ross, wo der „Dreimaster „Dunbrody“ als maßstabsgetreuer Nachbau besichtigt werden kann. Auf diesem Schiff haben die Kennedyahnen seinerzeit Irland verlassen.

Einige Dörfer weiter, in Ballyporeen, gibt es die Parallele. Dort wird an einen weiteren amerikanischen Präsidenten mit irischen Wurzeln erinnert, nämlich an Ronald Reagan. Auch seine Urahnenwiege wurde in dieser Region hier geschaukelt.

Sie alle schifften sich in dem Örtchen Cobh ein, ebenso wie dann in den 1930ger Jahren die Komikerweltstars „Laurel & Olli“ bei uns besser bekannt als „Dick & Doof“.

Cobh gilt auch als letzter Anlaufhafen für die Titanic, bevor sie auf ihre tragische Eismeerroute auslief. Und nicht weit davon entfernt, auf der „Scenic Route“ Richtung Old Head erinnert eine kleines, unscheinbares Denkmal an eine weitere Schiffskatastrophe ähnlichen Ausmaßes. Der Erste Weltkrieg in Form des deutschen U-Boot-Krieges hat auch hier sein grausames Unwesen getrieben. Im Mai 1915 wurde das Passagierschiff „Lutsitania“ von einem deutschen Torpedo versenkt. Rund 1.200 Opfer waren zu beklagen.

Atlantikküstenfrühstück
Atlantikküstenfrühstück

Soweit einige historische Mosaiksteinchen. Die Gegenwart zeigt sich erheblich aufgehellter, und das nicht nur unter dem  meteorologischen Aspekt. Die Insel präsentiert sich aktuell sehr sommerlich, von Sonnenschein durchflutet bei angenehmen 20°C – immer zuverlässig zwischen den regelmäßigen atlantischen Regenschauern.

Schwebebahn zur Dursey Island
Schwebebahn zur Dursey Island
Über dem Dursey Sund
Über dem Dursey Sund

Beschaulichkeit ist angesagt an der Spitze der Beara Halbinsel. Die dortige Schwebebahn, die einzige in ganz Irland, stellt die  Verbindung zur nahen Dursey Insel sicher. Mit Uralttechnik ausgestattet, kann sie auf einer Tour entweder sechs Erwachsene oder ein „großes Stück Vieh“ transportieren. Da bei unserem Besuch weder Kuh noch Schaf in Warteschlange stehen, lassen wir uns gemütlich über den rund 300m breiten, von heftigen Tidenströmungen mit Strudeln gezeichneten Dursey Sund schaukeln und genießen den Tiefenblick.