On Tour 15-GB SCO „Schottengeiz“

Verwundert fragt der Arzt seinen schottischen Patienten: „Wie kommen denn die vielen Holzsplitter in Ihre Zunge?“ – „Ganz einfach“, antwortet dieser, „der Barkeeper hat Whiskey auf dem Tresen verschüttet“.

Threave Garden - Keine Statue
Threave Garden – Keine Statue

Dieser und weitere unzählige, oft platte, geschmacklose Witze prägen oberflächlich unser Schottenbild des stereotypen Geizkragens. Und woher kommt es? Genau ist dieses Vorurteil  kaum zu belegen. Aber die Auffassung, dass dieser Sparsamkeitstrieb sich aus der Not bzw. Armut heraus gebildet hat, sollte nicht gleich gänzlich zurückgewiesen werden. Und wir wissen ja, die Grenzen zwischen – notgedrungener? – Sparsamkeit und Geiz sind fließend.

Wir sind nunmehr auf dem „Territorium der Geizigen“ Fuß gefasst, nach gut zweistündiger, ruhiger Fährfahrt von Belfast nach Cairnryan. Fördert es den Geiz, wenn auf dem Schiff ein volles Abendmenü (z.B. ½ Hähnchen oder Schnitzel jeweils mit reichlich Beilagen) für lediglich knapp £8,00 (ca. 10,00) kredenzt wird? Jedenfalls haben uns diese „Niedrigpreise“ doch überrascht und erfreut. Da sind wir von Frankreich und Irland her doch anderes gewohnt gewesen.

Geiz war aber doch im Spiel, zumindest was das Wetter und den erhofften Sonnenschein mit sommerlichen Temperaturen betrifft. Bei unserer abendlichen Schiffsankunft herrschte nicht nur dichter Nebel. Die Temperaturen waren auf weit unter 10°C gefallen, heftiger Regen prasselte an die Windschutzscheibe. Also erst einmal ein möglichst ruhiges Übernachtungsplätzchen in Hafennähe gesucht in stiller Hoffnung auf den Folgetag. Doch der meteorologische Geiz hielt an, das „schottische Atlantiktief“ lieferte ganze Arbeit.

Da wurde dann der Besuch des „Threave Garden“ am westlichen Solway Firth zu einem eher zwiespältigen Erlebnis. Die Gärtner hat’s gefreut, diese Sintflut!

Aber wer klagt, sollte lieber umkehren. Schottland ist nun halt mal kein „Adriaerlebnis“.

Dafür geht es hurtig weiter mit Burgen, netten historischen Städtchen und vor allen Dingen wieder viel, viel bewaldetem und auch kahlem Berghangrün.

Gretna Geen Hochzeitsstube
Gretna Geen Hochzeitsstube

Unser Weg führt uns nach Norden, immer auf der Küstenstraße A77 entlang, hin zum berühmten Culzean Castle mit dem nicht minder bekannten ovalen Treppenhaus. Architektonisch hat es alle Epochen überstanden, vom 15.Jh. bis hin in die Moderne. Große, künstlerische Gartenanlagen incl. eines der so beliebten „Walled Garden“ (dieses Mal bei gutem Wetter erkundet) betten es ein.

Culzean Castle
Culzean Castle

Der Blick aus dem runden Salon hinaus aufs Meer und hinüber zur Ailsa Craig Island und der Arran Island ist unbeschreiblich. Kein Wunder also, dass es sich auch zu einer viel gesuchten Veranstaltungs-, bes. Hochzeitsstätte gemausert hat. Preiswerter geht es in Gretna Green, diesem ehemaligen Hochzeitsparadies für noch nicht „Heiratsberechtigte“. Heute präsentiert es sich als kommerzialisiertes Museumsdorf, in dem man auch noch heiraten kann.

Lockerbie
Lockerbie

Nur wenige Kilometer entfernt erinnert ein „Remembrance Garden“ an die schreckliche Flugzeugkatastrohe (1988) von Lockerbie. Dieses vorher völlig unbekannte Dorf hat sich durch diesen Terrorakt bleibend ins Gedächtnis der Menschheit eingekerbt. Eine Gänsehaut – „Es hätte auch Dir passieren können“ – lässt sich beim Wandeln durch diese Gedenkstätte nicht unterdrücken.

Burns Zentrum in Ayr
Burns Zentrum in Ayr
Burns Cottage
Burns Cottage

Doch als die eigentliche Perle dieser Region erweist sich der Heritage Trail für „Robert Burns“. Besonders die Städte Dumfries und Ayr kennzeichnen den Weg dieses schottischen Volksdichters (1759-1796). Lieder, Gedichte und typisch schottische Geschichten (z.B. in der Figur des Schusters Tam O’Shanter) charakterisieren sein kompositorisches und literarisches Schaffen. Allerdings konnte der Lebenswandel des Poeten seiner künstlerischen Qualität nicht das Wasser reichen. Sein ausschweifendes Leben mit Alkohol und Frauen spricht Bände. Unklar ist bis heute noch die Zahl seiner außerehelichen Kinder – bei sechs ehelichen. In den beiden sehr sehenswerten „Burns-Centern“ in Dumfries und Ayr finden jährlich im Mai „Robert-Burns-Festivals“ statt oder musikalische Sonntagsmatineen. Wir durften einen keltischen Chor mit traditioneller, schottischer Musik im Robert-Burns-Zentrum Ayr genießen.

Die vier hier aufgesuchten Sehenswürdigkeiten vereint, dass sie alle vom „National Trust“ betreut werden. Dabei handelt es sich um eine „Non-Profit“-Organisation, die über ganz Großbritannien und Nordirland hunderte kulturelle und naturelle Schätze unter ihren Fittichen hat. Wir wollen an dieser Stelle den wohlgemeinten Ratschlag geben, eine einjährige Mitgliedschaft einzugehen. Sie kostet rund €60 p.P. (Stand: 2014). Anschließend genießt man „freien Eintritt“ und kostenlose Parkplatzbenutzung. Nach dem vierten, fünften Besuch einer derartigen Kulturstätte hat sich der Preis bereits amortisiert, also ein lohnendes Geschäft besonders für Langzeitreisende wie wir. Und was hat das mit Geiz zu tun? Überhaupt nichts, eher – bei übertriebener Empathie – mit finanzieller und ideeller Unterstützung einer guten Sache.

Glasgow alt und modern
Glasgow alt und modern

„Dirty Old Town“ – das war vielleicht einmal. Dieser Ruf hat Glasgow offensichtlich lange Zeit geprägt. Wer heute durch die Stadt schlendert, findet ein Festival an unterschiedlichen Architekturstilen und wohlrestaurierten Kirchenbauten neben hypermodernen Brücken, Museen und Kongress- bzw. Veranstaltungszentren. Der relativ schmale River Clyde durchquert majestätisch diese ansprechende Stadt. Unter den zahlreichen Museen und musealen Sammlungen sind besonders die „Gallery of Modern Art“ im Stadtzentrum und das „Riverside Museum“ hervorzuheben. Und nicht nur sie sind gut besucht, sicherlich wohl auch, weil alle städtischen Museen freien Eintritt gewähren. Wirklich gelungen!

Das eigentliche Stadtzentrum mit seinen Einkaufpassagen kann gut zu Fuß erobert werden. Für den Rest gibt es genügend Auswahl an Stadtrundfahrten zu gemäßigten Preisen.

Glasgow Kathedrale Evensong
Glasgow Kathedrale Evensong

Denn so gelangt man auch problemlos in die Glasgower Kathedrale mit der Necropolis und dem St. Mungo Museum ein wenig außerhalb des Zentrums. Mungo präsidiert als quasi „Nationalheiliger“ die kirchliche Welt. Ihm zu Ehren ist deshalb die riesige Kathedrale gewidmet, eigentlich zwei aneinander gefügte eigenständige Kirchen mit der Orgelempore als offener Raumteiler. Wer das Glück hat, dem sogenannten „Evensong“ lauschen zu dürfen, dieser musikalisch geprägten protestantischen Abendandacht, wird wegen der Akustik und der Qualität der Darbietungen den Kirchenraum wie berauscht verlassen.