On Tour 16-GB SCO „Baumstammstemmen und Bergcrosslauf – Schottische Highland Games“

Berg für Hill Race
Berg für Hill Race

Sie sind schon eine besondere Mischung aus Sportwettkampf und Tanzturnier, diese schottischen Highland Games. Die Tanzprüfungen bleiben überwiegend der Jugend, vorwiegend der weiblichen, vorbehalten. Zu live vorgetragener Dudelsackmusik, oft mit vielköpfigen „Pipe Bands“ im Rahmenprogramm,  messen sich die meist 10-14 Jahre jungen Tänzerinnen auf einem Podest z.B. im Tanz über gekreuzte Schwerter.

Schottentracht
Schottentracht

Parallel dazu finden unterschiedliche Sportwettkämpfe statt, allerdings in vielen Disziplinen, die auf sonst „üblichen“ Sportveranstaltungen unbekannt sind.

Bei typisch schottischem Wetter, d.h. viele heftige Regenschauer durchfeuchten Sportler wie Zuschauer, erleben wir diese Highland Games in dem kleinen Ort ALVA (3.500 Einwohner) irgendwo zwischen Glasgow und Edinburgh. Wer hier an dörfliche Provinzialität denkt, hat weit gefehlt. Die Aktiven kamen aus aller Herren Länder, auch aus den USA. Denn die ALVA-Spiele sind weit über die regionalen Grenzen hinaus bekannt.

Craig Dunbar-Organisator
Craig Dunbar-Organisator

Rund 200 Sportler im Alter von 9 bis 74 Jahren kämpfen heute um Ruhm und Preisgelder, erklärt uns der Organisator, Graig Dunbar in einem Gespräch. ALVA blickt auf eine lange Tradition von Highland Games zurück. In diesem Jahr werden sie schon zum 158. Mal durchgeführt. Eigentlich reiche die Tradition dieser Spiele bis in das  9.Jh. zurück. Unter den Augen von König oder Chief besaßen sie damals jedoch eher einen kultisch-religiösen Charakter. In der Gegenwart spiegele sich diese Seite noch in den Tanzwettkämpfen wider.

Die kriegerische Komponente zeige sich in den Sportwettkämpfen. Gute Läufer gäben schnelle Kuriere ab, starke Männer eine zuverlässige Leibwache.

Und was sich davon bis in die Gegenwart gerettet? Gut, Pferderennen wurden durch Wettkämpfe auf Stahlrössern ersetzt, HighTEC-Räder bleiben verpönt.

 

Hill Race
Hill Race

Zahlreiche Laufwettbewerbe auf regenglattem Rasen über alle möglichen Kurz- und Mittelstrecken füllen den Tag. Am anspruchsvollsten ist dabei das „Hill Race“ .(der Berglauf). Eine Differenz von rund 500 Höhenmetern, querfeldein einen steilen Berg bis zur Wendemarke am Gipfel und wieder zurück zum Veranstaltungsort, sind dabei zu überwinden. Gelaufen, oder besser geklettert, wird dabei in drei Altersklassen: Jugendliche unter 12 (!) Jahren müssen die halbe Höhe erklimmen, junge Leute bis 17 dürfen nach rund 350 Höhenmetern wieder umkehren. Und die Erwachsenen durchlaufen oder durchschlittern die volle Distanz.

Wir dachten zunächst, das wird ja ewig dauern, bis die Läuferinnen und Läufer wieder ins Ziel einlaufen. Weit gefehlt!

Schottentracht, feierlich
Schottentracht, feierlich

Der Sieger der jüngsten Gruppe, ein Elfjähriger durchlief bereits nach knapp 10 Minuten das Zielband. In der mittleren Altersgruppe dauerte es auch nicht viel länger als 15 Minuten, bis der Sieger gekürt werden konnte. Und auf der vollen Distanz? Nach ganzen 22  Minuten von Start bis Ziel konnte auch hier der über und über mit Matsch beschmierte Champion ausgerufen werden. Der schottische Rekord, in ALVA aufgestellt, soll bei knapp 18 Minuten für den kompletten Gipfelsturm liegen.

Nun darf man sich dieses Rennen nicht so vorstellen, dass die Läufer die Sportstätte verlassen und erst bei ihrer Rückkehr wieder gesichtet werden. Nein, der Zuschauer kann ihr mühevolles Rennen am fast baum- und strauchlosen Berghang die gesamte Zeit über verfolgen. Leuchtende weiße, schimmernde rote und undeutliche dunkle Punkte quälen sich den Hang hinauf, laufend, kriechend, zum Teil krabbelnd, die gelben, weithin sichtbaren Wendmarken anschlagend und wieder zurück den glitschigen Abhang hinunter. In der Tat, so werden „gute, ausdauernde Kuriere“ kreiert.

Gewichtwerfen
Gewichtwerfen

Und die „Leibwachenfindung“? Starke Männer, Schränken ähnlich, lautet das Stichwort. Gewandet in den Schottenrock (Kilt), mit und ohne Kopftuch  üben sich diese äußerlich rauen Riesen gleich in mehreren Wettkämpfen.

Die umgänglichsten Wettkämpfe sind dabei das „einfache“ Kugelstoßen bzw. das „Tug-o-War“ (dt: Tauziehen). Erheblich gewöhnungsbedürftiger kommen dann aber bereits „Kettenkugel-“ und der „Besenstielhammerwurf“ daher. Ersterer darf nur mit einer Hand ausgeführt werden, bei letzterem krallen sich die Wettkämpfer mit ihren „Schnabelschuhen“ in den Rasen, um nicht von dem Schwung der Hammerkugel selbst aus dem Sicherheitskreis geschleudert zu werden.

Als Königsdisziplinen der Kraftprotze präsentieren sich dann schließlich das „Weight the Height“ und anschließend das „Tossing the Caber“. Zunächst  muss ein Gewicht von 25kg einhändig über eine Hochsprunglatte geworfen werden. Dabei muss der Werfer aufpassen, dass das Geschoss ihm nicht wieder auf den Kopf fällt, da er es rückwärts hochschleudert. Die erreichte Siegerhöhe lag immerhin bei 4,20m. Man muss sich vorstellen, dass man 25 ein Kilo schwere Zuckertüten zugleich über einen Doppeldeckerbus schleudern soll.

Baumstammstemmen
Baumstammstemmen

Und nachdem doch nun alle total erschöpft sein müssten, schleppen  für das „Tossing the Caber“ zwei Ordner noch einen rund 6m langen Baumstamm herbei. Mühevoll wird er aufgerichtet und einem Wettkämpfer übergeben. Dieser muss ihn mit bloßen Händen senkrecht aufnehmen, was sich, vom Gewicht gar  nicht zu reden, schon als schwieriger Balanceakt erweist. Ein kurzer, schwankender Anlauf, und dann soll das Ungetüm so fortgeworfen werden. Die Wurfweite spielt dabei keine Rolle. Der Baumstamm soll sich vielmehr  über seine Enden kugeln, um anschließend möglichst in „Zwölf-Uhr-Position“ zum Werfer liegen zu bleiben. Kräftemäßig und technisch so gut wie ein Ding der Unmöglichkeit.

Unser Fazit: Wer etwas typisch Schottisches erleben möchte, besuche eines dieser Sportfestivals, die zwischen Ende Juni und Anfang September im ganzen Land abgehalten werden. Urtypisch zeigen sie sich jedoch meist nur noch in den kleineren Gemeinden, wie z.B. in ALVA. An größeren und bekannteren Veranstaltungsorten sollen sie eher zu „touristischem Spektakel“ verkommen, versicherte uns unser Gesprächspartner.