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K&K32 – Es Hauptstädtert sehr

Nach so vielen Tagen in SYDNEYS Stadtgewühl zieht es uns in grüne Einsamkeit. Was liegt näher, auch geographisch, als dem südwestlich gelegenen Morton National Park einen Besuch abzustatten.

Blowhole-Kiama
Blowhole-Kiama

Bevor wir ins Landesinnere abdriften, werfen wir noch einen kurzen Blick auf den Blowhole Point im Küstenort KIAMA. Bei rauer See spritz das Wasser meterhoch durch eine Felskluft. Bei ruhigem Wellengang gibt es keine Meerwasserdusche, aber immerhin gut zwei Meter Fontänengischt. Allein der Ausblick auf die TASMAN SEA lohnt den kleinen Umweg.

Ruhig und beschaulich dösen die kleinen Orte im vor uns liegenden Nationalpark dahin. BERRY, BOWRAL, BERIMMA, allesamt Tore für die kilometerlangen Wanderwege im Naturschutzgebiet. Die Straße führt durch das Kangaroo Valley. Australiens Wappentier wird hier zwar nicht gesichtet, dafür erfreuen wir uns am dichten, schattig kühlenden Regenwald, der die Berghänge (bis 800m hoch) begrünt. Bezaubernde Blicke auf die Küstenebene verlocken immer wieder zum Zwischenstopp.

Weit ist es allerdings nicht mehr bis zur Hauptstadt. Also gleich wiederum in überschäumendes Stadtleben eingetaucht? Weit gefehlt! Denn zunächst zieht es uns in die Capital of Cherries in die Kleinstadt YOUNG, in einem der wichtigsten Anbaugebiete für diese Köstlichkeit gelegen.  Obwohl jetzt Haupterntezeit sein soll, bleiben die Stände am Straßenrand oder bei den Obstbauern selbst leer. Selbst der wichtigste Obst- und Gemüsemarkt in der Stadt bot keine zum Verkauf an.  Wir vergewissern uns, ob die Saison, Mitte Januar als Erntezeit stimmt. Sie geht in Ordnung, versichert man uns in der Touristeninformation. Und warum dann keine Kirschen im Angebot? Das meiste geht in den Export, Direktvermarktung genießt hier keinen hohen Stellenwert, obwohl die Verkaufsschilder an der Straße es anders ausweisen. Doch in einem örtlichen Supermarkt entdecken wir schließlich welche, nicht mehr ganz frisch, dafür mit schweißtreibendem Preis: 20AUD/kg (ca. 14€/kg).

Versehen mit einem Foto des Wahrzeichens der Stadt und der Kirschengeschichte (Anbau seit 1847) verlassen wir das „Rote Zentrum“ Richtung CANBERRA.

Dafür verlassen wir den Bundesstaat NEW SOUTH WALES, um nach ACT (Australian Capital Territory) einzufahren. Hier wird das amerikanische System von Washington D.C. (District Columbia) übernommen. Für die Hauptstadt wird ein eigener kleiner Verwaltungsbereich ausgewiesen, der zwar mit allen Rechten eines Bundesstaates ausgestattet ist, aber eigentlich kein eigenständiges Gebilde darstellt.

Gelbhaubenkakadu
Gelbhaubenkakadu

Was den Gaumen im „Kirschenzentrum“ nicht erfreuen konnte, wird vom Auge ausgeglichen. Unterwegs flattern immer wieder Kakadus um uns herum, sowohl die rosa Schnatterkakadus, wie auch die eigentlich schneeweißen Gelbhaubenkakadus. Sie tummeln sich lautstark auf den verdorrten, braunen Feldern oder den Bäumen. Oftmals tauchen sie als Pärchen oder in größeren Gruppen auf, wobei man sie meistens erst hört und dann sieht.

Gelbhaubenkakadu
Gelbhaubenkakadu

In der Sommerhitze von 35°-40°C nähern wir uns nunmehr der wirklichen Hauptstadt Australiens, CANBERRA. Als Zusatz trägt sie die Bezeichnung „custom-built city“, d.h. „auf Kundenwünsche zugeschnitten“. Wer war der Kunde? Die australische Regierung, die mit dem Neubau (Fertigstellung 1927) einer ganzen Stadt dem ewigen Hauptstadtstreit zwischen MELBOURNE und SYDNEY ein Ende setzte. Und der Anbieter? Geplant und realisiert wurde sie von dem visionären, amerikanischen Architekten Walter Burley Griffin. Wie kam er auf den Städtenamen? Die Aborigines nannten und nennen diesen Platz in ihrer Sprache seit Urzeiten „Kanberra“, was in etwa „Treffpunkt“ bedeuten soll. Alle Probleme beseitigt?

Canberra-Parlamentshügel
Canberra-Parlamentshügel

Die Stadt wirkt wegweisend als architektonisches Symbol, aber flau, was ihre Spontaneität angeht, behaupten Lästerzungen. Modern begegnet sie uns. Verblüffend harmonisch greifen bebaute und begrünte Flächen ineinander. Wirkliche Hochhäuser findet der Besucher hier nicht, ebenso wenig Verkehrsstaus. Als ob die Stadt vorrangig für den Autoverkehr geplant wurde. Wegen der Weitläufigkeit haben es Fußgänger schwer von „A“ nach „B“ zu kommen. Dafür geht es den Radfahrern umso besser. Farbig markierte Radwege durchziehen die gesamte Stadt. Halb CANBERRA scheint im Fahrradsattel zu sitzen. Das geht auch bestimmt flüssiger als mit dem dürftigen öffentlichen Nahverkehr. Mancher Reiseführer behauptet sogar, es gäbe ihn überhaupt nicht. Nun, das stimmt nicht so ganz. Einige Linienbusse sind uns schon begegnet.

Herzstück dieser Parkanlagenstadt ist der erst 1964 künstlich erschaffene Lake Burley Griffin, um den sich alles herum gruppiert. Er wird aus dem Molonglo River aufgestaut. Seine Länge beträgt rund 11km bei 35km Uferlänge – ein einziges Naherholungsgebiet.

Von hier aus sind CANBERRAS Sehenswürdigkeiten gut zu erreichen, manchmal zu Fuß wie das National Carillon / Glockenspiel, mit dem Fahrrad zum National Museum of Australia bzw. dem Australian War Memorial, oder im Auto zum Old Parliament House bzw. zum aktuellen Parliament.

Das Australische Nationalmuseum (freier Eintritt) gibt sich selbst den Titel „Geschichten im Herzen unserer Geschichte“. Von den vermuteten Siedlungsanfängen der Aborigines & Torres Strait Islander über die europäische Kolonialisierung und die Industrialisierung bis zum heutigen Computerzeitalter entfaltet sich ein bewundernswertes, multivisionales Kaleidoskop australischer Geschichte.

Über zwei Kilometer erstreckt sich die ANZAC-Parade schnurgerade vom See bis hin zum War Memorial. Gesäumt wird diese Allee von einem Dutzend Denkmälern verschiedener Nationen. Der mittlere Fußweg aus rotem Schotter, gewonnen aus alten Ziegelsteinen, erzeugt den knirschenden Widerhall von marschierenden Soldatenstiefeln, der dann allmählich im Innenhof mit  gigantischer Gedenkhalle erlischt.

Das aktuelle Parlamentsgebäude wurde erst 1988 bezogen, pünktlich zum 200. Jahrestag der Ankunft des ersten Europäers. Ohne gute Ausschilderung wäre der Bau kaum zu finden, denn er ist ein einen Hügel integriert. Der 81m hohe Flaggenmast auf der Hügelspitze weist darauf hin, dass „darunter“ noch mehr Sehenswertes zu finden ist. Englischer Stil im Inneren regiert Anblick und Aufteilung. In Anlehnung an das britische House of Commons ist das Mobiliar grün gehalten, im House of Lords aus gleichem Grund dominiert die Farbe Rot. Nur nennen sich die Kammern hier Repräsentantenhaus und Senat.

Aboriginal Embassy
Aboriginal Embassy

Und wo wurde vorher regiert? Von 1927 bis 1988 gab es ein provisorisches Regierungsgebäude, das heutige Old Parliament House. Man findet es leichter unter dem Namen Museum of Australian Democracy. Die ehemaligen Sitzungssäle und Kabinettsräume sind bei geringem Eintritt zugänglich. Filmausschnitte präsentieren Wege der Entscheidungsfindung zur „großen, australischen Politik“.

Gleich gegenüber auf dem Parlamentsrasen residiert seit 1972 die Aboriginal Tent Embassy, d.h. ein kleines Zeltdorf gruppiert sich um die „Heilige, ewig brennende Aboriginalflamme“. Die „Botschaft“ in Form einer kleinen Hütte versteht sich als permanente Protestbewegung gegen die Diskriminierung der Urbevölkerung durch die „europäischen Weißen“. Nicht Anerkennung wird gefordert, sondern Souveränität. Angeklagt wird der Landdiebstahl durch die europäischen Kolonialherren. Zugespitzt wird auch mit Völkermord argumentiert. Alle Probleme beseitigt?

Wir kehren zurück zu CANBERRAS typischer Parklandschaft. Die schönsten Blicke auf See und Stadt bieten die Aussichtspunkte der umliegenden Berge, ob nun vom Stromlo Forest mit Observatorium (rund 640m), vom Black Mountain (800m) oder vom Hausberg Mount Ainslie (840m). Wenn man nicht wüsste, dass sich eine Landeshauptstadt mit gut 400.000 Einwohnern in diese „Gartenstadt“ duckt, der ausschließliche Blick von oben würde es nicht verraten.

Weit ist das Land
Weit ist das Land

„Hauptstadt“ Nr. 3: COOMA, rund 180km südlich von CANBERRA. Sie bezeichnet sich als „The Capital of the Snowy Mountains“. Somit tauchen wir wieder ein in das teilweise undurchdringliche Grün des Mount Kosciuszko National Park. Ein knapp 300km langer Rundweg auf dem Alpine Highway sowie dem Snowy Mountains Highway geleitet uns mitten hinein in diesen Park und führt uns in das einzige australische alpin Skigebiet, wobei der Mount Kosciuszko mit 2228m Australiens höchster Berg ist. Man sollte die Bezeichnung Skigebiet nicht mit europäischen Alpenmaßstäben messen. Die Saison für Wintersport bleibt immens kurz, was zur (positiven) Folge hat, dass die Hänge der zahlreichen Berge nicht zu stark von Skipisten belastet und von Skiliften zugepflastert sind. Als stärker ausgeprägt erweist sich vielmehr der Wander- und Mountainbiketourismus, ersichtlich an den zahlreich ausgewiesen Wander- und Fahrstrecken. Sanfter Tourismus mit sanftem Andrang, jetzt in der Sommerzeit. Der Wanderaspekt wird noch verdeutlicht durch das „Wanderlust Festival“ (australischer Originaltitel), welches im aufkommenden Herbst stattfindet.

DSCN7177Einige wenige Orte liegen verstreut im und um den Nationalpark herum: JINDABYNE als „lebendiger“ Tourismusort, THREDBO, der malerischste in einem einsamen Talkessel, CABRAMURRA, mit 1488m Australiens höchste Stadt. Auch sie wurde in den 1950ger Jahren sozusagen „kundengerecht“ erstellt, denn es war damals die Zeit des Bau der großen Wasserkraftwerke in dieser Bergwelt. Dreieckige futuristisch anmutende „Haushütten“ prägen das Ortsbild, gruppiert um ein Gemeinde-, Einkaufszentrum. Ein Reiseführer nennt die Ortschaft sogar „eigenartig seelenlos“. Na endlich mal ehrliche Tourismuswerbung! Die Beschreibung passt. Weiter geht es mit KHANCOBAN mit seinen geschätzten 50 Häusern und weniger als 300 Einwohnern. In gesegneter Einsamkeit, „mucksmäuschen still“ im Sommer taucht es nach vielen Kilometern menschenloser Strecke auf wie eine „Zivilisationsoase“. Und schließlich ADAMINABY, ein Dorf, welches es eigentlich nicht mehr gibt, zumindest das ehemalige Dorf. Dieses wurde nämlich beim  Bau eines der Wasserkraftwerke ertränkt. Einige der historischen Gebäude konnten jedoch durch „Komplettumzug“  in der Siedlung OLD ADAMINABY der Nachwelt erhalten werden.

Mount Kosciuszko
Mount Kosciuszko

Die Snowy Mountains, sie gelten als das „Juwel“ von NSW Nationalparks. Die Panoramastraße windet sich zwischen 800m und 1500m durch diese gottverlassene Landschaft, gespickt mit ungezählten Aussichts- und Rastplätzen. Als Teil der GREAT DIVIDING RANGE überquert man bei THREDBO auf dem Rundweg den höchsten Straßenpass Australiens (1.580m).

Die Region hat aber wohl nicht immer so friedlich vor sich hingedämmert. In der 12-Häuser-Siedlung KANDRA führt dich ein Wegweiser zu einem historischen Friedhof. Auf ihm wird nicht besonders berühmter Persönlichkeiten gedacht., sondern die Hinweistafel weist aus, dass hier in den Jahren 1891 – 1912, d.h. während der Ära des Goldrush, insgesamt 47 Personen bestattet worden sind. Davon sollen lediglich sechs Personen „aus Altersgründen“ verstorben sein.

Eine weitere Besonderheit zeigt sich bei der Berghütte BRADLEEY’S & O’BRIENS HUT“. Die mit Bäumen bewachsenen Berge nehmen in der Fernsicht eine kreideweiße, wie mit Puderschnee bestäubte Färbung an. In der Nahaufnahme zeigt sich, dass dort flächendeckend kahle, rindenlose, tote Bäume stehen, die wie silberne Speerspitzen in den Himmel ragen.

Buschfeuer 2003-Spätfolgen
Buschfeuer 2003-Spätfolgen

Der Grund für diesen „toten Urwald“ liegt in der verheerenden Feuersbrunst von 2003, bei der rund 80km² Wald zerstört wurden. Die Überreste sind eben heute noch sichtbar. Doch die Natur erobert sich vielerorts ihr Terrain zurück. Bis zu 2m hoch sind Bäume und Büsche bereits wieder nachgewachsen. Schätzungsweise muss noch ein Jahrhundert vergehen, bis die Natur ihren ursprünglichen Zustand wieder erreicht hat – Langzeitschaden einer vermuteten Brandstiftung!

Zwei markante, australische Feiertage werden gefeiert. Das ist zum einen der ANZAC DAY (jährlich am 25. Januar) sowie der Australia Day (immer am 26. Januar). Der erstere Feiertag ehrt die Militärgemeinschaft Australien-Neuseeland, denn die Abkürzung bedeutet „Australia New Zealand Army Corps“. Die eigentliche Ehrung gilt insbesondere natürlich den Opfern in den zahlreichen Militärkonflikten, an denen die beiden Länder mit einer gemeinsamen Militäreinheit seit WW I teilnahmen und teilnehmen. Gedenkfeiern und Paraden finden besonders in größeren Städten statt.

Erheblich gelöster wir der Nationalfeiertag begangen, ebenfalls ein staatlicher Feiertag. Die Städte und Gemeinden sprudeln über vor Stadtfesten, Kirmes und ähnlichen Attraktionen. Wir dürfen den Festtag in der bereits erwähnten 8000 Einwohner Stadt COOMA miterleben. Im zentralen Centennial Park trifft man sich zur privaten und offiziellen Feier. Die Vereine der Stadt präsentieren sich, die Stadtoberen und diverse Parlamentsabgeordnete ebenfalls. Es mangelt nicht an buntem Treiben.  DSCN7229Alles dreht sich letztendlich um das Motto „Celebrating Aussie Icons“. Am sichtbarsten ist die australische Ikone „Bumerang“, denn ein überdimensionales, bunt verziertes Exemplar ist über der Eventbühne befestigt. Der zweite Blick macht die weiteren Identität stiftenden Aussie-Symbole sichtbar, immerhin neun an der Zahl. Dargestellt sind (in loser Reihenfolge): Koala Bär, Cork Hat, Vegemite, Sydney Opera House, Dame Edna, Uluru, Thongs, Meat Pie, Cathy Freeman. Nachgefragt haben wir bei den uns nicht so geläufigen, denn die Oper, den Uluru/Ayers Rock, den Cork Hat /typische Kopfbedeckung für Männer und den Koala sind weltberühmt. Doch wer sind Cathy Freeman und Dame Edna? Die erste Dame gilt als wegweisend für die australische Leichtathletik, denn 1981 gewann sie bei Olympischen Spielen mehrere Goldmedaillen im Staffelläufen. Außerdem gehört sie einem Stamm der Aborigines an. Dame Edna hingegen gilt als TV-Ikone. Sie stellt eine fiktive Figur des australischen Komikers Barry Humphries dar. Markenzeichen sind ihre lila Haare und die übergroße Brille. Der Meat Pie gilt als Erinnerung an die angestammte englische Heimat vor der Kolonialisierung. Sie sind aber auch wirklich lecker, diese Fleischpasten. Bleibt noch „Thongs“ als Ikone. Das sind ganz einfach Badeschlappen oder Flip Flops. Nun, bei 35.000km Küstenlinie erweisen sie sich als sehr nützlich. Zu guter Letzt: Wie ist Vegemite als als Australiensymbol auf diese Liste gelangt? Zu kaufen gibt es den konzentrierten Hefeextrakt mit vielen Vitaminen der B-Reihe in jedem Supermarkt als Brotaufstrich. Europa, besonders Schottland, kennt die Paste eher als „Marmite“. Soll es den Verkauf ankurbeln? Beweist es eine gesunde Ernährungseinstellung? Oder gilt es als Apell für eine solche? Eine erschöpfende Antwort darauf ist nicht zu erhalten, weder im Visitor Center, von Festorganisatoren oder Festbesuchern.