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K&K 73 – Bunter Blumenteppich auf 2,5Mill km²

Die ersten Anzeichen der nördlichen Blumenteppichkante entdecken wir in der Nähe von Geraldton (vgl. vorheriges Kapitel). Je südlicher wir kommen, umso dichter und farbenfroher wird das Teppichmuster. Wildflower Country zieht sich hinab bis an die Südwestküste und ins östliche Outback.DSCN9163

Die Wildblumensaison dauert von July bis November mit den Scherpunktmonaten August, September und teilweise Oktober. Besonders in den kleineren abgelegenen Orten öffnen deshalb extra Visitor Information Center ihre Pforten oder werden Wildflower Festivals organisiert. Eine Reihe von Tourenanbietern in den verschiedenen Orten hat sich auf bunte Rundfahrten spezialisiert. Das Angebot an regionalen und überregionalen Wildflower Broschüren ist immens. Aus einer dieser Hefte suchen auch wir uns aus immerhin einem guten Dutzend verschiedener Trails den passenden Loop für self drivers heraus. Jede dieser Routen, meistens Rundfahrten zurück zum Ausganspunkt, hat eine Länge von 300km bis 500km. Die unsrige, als Everlasting Trail bezeichnet, führt uns überwiegend in die südöstliche Region von Dongara. Für ein eventuelles Kartenstudium hier einige der kleinen Orte als Anhaltspunkte: Mingenew – Three Springs – Ebeabba – Perenjori – Morawa – Mullewa.DSCN8963

Im gesamten Westaustralien sollen 12.000 Wildblumenarten wachsen, von denen rund 60% nur in Australien gedeihen. Über insgesamt 2,5Mill. km² sollen sie verstreut blühen. Somit lassen sich dann auch immer nur kleine Ausschnitte aus dem bunten Meer herausfiltern. Doch diese sind beeindruckend. Es ist eben nicht so, dass auf einer Wiese ein kleiner Fleck voller Blumen entdeckt wird. Großflächig, oft soweit das Auge reicht, schillern gelbe, weiße oder violette Teppiche am Straßenrand in die Landschaft hinein. Eine Etage höher inmitten der Farbenpracht leuchten oft goldgelbe Mimosenbüsche oder rote Azaleen.

Pommes in der Pampa
Pommes in der Pampa

Und wie heißen die australischen Wildblumen? Hier eine kleine Namensauswahl: Dampiera, Silver Cassioa, Wreath Flower, Everlastings, Eremophila, Donkey Orchid oder Climbing Fringe Lily. Für den Betrachter ist die Schönheit der Blumenpracht sicherlich viel entscheidender als der Pflanzenname.

Die kleinen Orte am Wegesrand geben sich viel Mühe im Konkurrenzkampf um die Durchreisenden. Jeder wartet außer mit der Wildblumenpracht mit irgendeiner anderen Besonderheit auf: Morawa mit den Koolanooka Springs,  Three Spings mit einem Lookout auf die Talkum Mine und einem Minifelsgarten; Mingenew mit historischen Wandgemälden. Von hier aus führt eine Straße in den 30km nördlich gelegenen Coalseam Conservation Park. Mit seinem Irvin River Gorge ist er ein Musterbeispiel an Wildflower Romantik.DSCN9166

Auch Perenjori, als Ort selbst eher unscheinbar, schickt seine Besucher ein wenig nach außerhalb. In einem der früheren Berichte haben wir bereits über den „Dingo Fence“ berichtet (vgl. Kap. „Von Sechs bis Sechs“.) Dieser Schutzzaun zieht sich bekanntlich 5.400km von der südaustralischen Küste in der Nullarbor Plain bis hinauf ins nordöstliche Queensland. Er sollte und soll die Schafsherden vor Dingoraubzügen schützen. Seinen Zaunvetter finden wir nunmehr beim Dorf Perenjori. Hier allerdings soll nicht das Vieh vor Raubtieren geschützt werden sondern das Gemüse und Getreide vor gefräßigen Kaninchen. So heißt dieses Zaunbollwerk denn auch „Rabbit Fence“ und erstreckt sich von Westaustraliens Nordküste bis zur Südküste.

Mullewa Kirche
Mullewa Kirche

Der nördlichste Ort dieser Flower Power Rundtour strahlt schon fast etwas Pilgerfahrtähnliches aus. Er kann mit einem rund drei Kilometer langen Wildblumenpfad aufwarten, immer schnurstracks durch die wilde Natur. Seine Hauptattraktion allerdings steht bescheiden am Dorfrand und ist die Kirche „Our Lady of Mount Carmel“. Geplant und erbaut vom Priester-Architekten Monsignor Hawes zu Beginn des 20. Jahrhunderts bildet sie ein Schmuckstück in einer Reihe ähnlicher Gotteshäuser der Region.

In Mullewa stehen wir auch am Scheidepunkt, ob wir zurück an die Küste fahren oder weiter hinein ins östliche Outback. Wir entscheiden uns für die zweite Richtung. „Das blühende Outback erleben“, ein „must do & must see“ wurde uns vielfach von Einheimischen geraten. Nun, sie kennen ihr Land, wir nicht so sehr. Verlassen wir uns auf die Ratschläge und steuern Laverton 800km östlich an.DSCN9169

Und ebenfalls für diesen Streckenabschnitt führen wir für diejenigen, die mit dem Finger auf der Landkarte mitfahren wollen, einige Ortsnamen an: Mullewa – Yalgoo – Mt Magnet mit nördlichem Abstecher nach Cue – Sandstone – Leinster – Leonora – Laverton.

Die Farbenpracht des Blumenteppichs bleibt uneingeschränkt strahlend. Ihr Effekt erhöht sich höchstens noch durch die rote Erde des Outbacks, insbesondere bei den weißen und gelben Blüten. In der Tat lässt sich sagen: „Die Wüste blüht“ – ein wunderbares, unbeschreibliches Schauspiel.

Diese zum Teil winzigen Orte warten ebenfalls oftmals mit einer kleinen Besonderheit auf. Allen gemeinsam ist, dass sie jeweils rund 150km voneinander entfernt liegen, die „durchlöcherte Einsamkeit“ sich auch auf diesem Streckenabschnitt fortsetzt. „Golden Quest Discovery Trail“ nennt sich die Tour ins Binnenland. Die Blütezeit der Region lag also während des gold rush. Heute bedeutet das Andenken und dessen Pflege an diese goldenen Zeiten vielfach aktuelles „touristisches Gold“.   Mt Magnet z.B. bietet neben dem Warramboo Hill Outlook ein umfangreiches „Mining and Pastoral Museum“. Der Blick von den nahe gelegenen Granitformationen gibt den Blick frei auf die Tagebaumine (Gold). Der Ort Cue wirbt mit den Ruinen des Big Bell als Referenz an die längst verflossene Goldene Ära.  Das dörfliche Sandstone hingegen versucht sein touristisches Glück mit dem Felsbogen „London Bridge“ welcher sich immerhin gut 50km außerhalb des Ortes wölbt und nur über eine dirt road erreicht werden kann.

Trinkwasser endlich!
Trinkwasser endlich!

Spannender wird es in Leonora bzw. im zwei Kilometer entfernten Gwalia. Die noch aktive Mine beherbergt aber bereits Museales. Zum einen ist Gwalia eine Ghosttown aus der Zeit des gold rush. Zum anderen präsentiert man in einer ansehnlichen Ausstellung stolz das erfolgreiche Werk von Herbert Hoover, der die Mine aufgebaut hat. Der Name verbindet sich eigentlich mit einer anderen Assoziation als australischem Bergbau. Herbert Hoovers Name erscheint eher als der 31. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. In dieser verlassenen Outback Region hat er vor seiner Präsidentschaft gewirkt. Der Besucher dieses Museums kann nicht nur anschauen. Er kann auch in den Räumen des Hoover Hauses übernachten. Drei Originalzimmer stehen den Gästen zur Verfügung, im modernisierten Stil der damaligen Zeit (www.gwalia.org.au).

DSCN9089End- und Höhepunkt dieser Outbackschleife ist Laverton. Auch hier hat ein australischer Albert Schweitzer gewirkt, Dr. Charles Laver. Mit dem Fahrrad  besuchte er um die Wende des 19. zum 20 Jahrhundert seine Patienten in den weit verstreuten Siedlungen des Outbacks. Mehr Anziehungskraft besitzt „The Great Beyond – The Hall of Fame of the Explorers“. Alle Entdecker, die sich bei den ersten Erkundungen West- und Zentralaustraliens des 18./19. Jahrhunderts einen Namen gemacht haben, werden hier geehrt. Per Film erfahren wir mehr über die gescheiterte Suche in der Wüste nach dem preußischen Erforscher Friedrich Wilhelm Ludwig Leichardt (verschollen 1848 im zentralen Outback). In einer „historischen Videokonferenz“ unterhalten sich die Entdecker Alexander Forrest, Edvard J. Eyre, Williams J. Wills, Augustus Gregory und Dirk Hartog und einige andere mehr über Erfolge und Misserfolge ihrer Expeditionen. Dieses Museum hat es in sich. Es lohnt den Besuch außerordentlich.

In Laverton, dem letzten Ort vor dem sandigen Outback Way quer hinüber im östlichen Outback, kehren wir wieder um zurück an die Westküste. Die Wildblumen Story begleitet uns natürlich auch auf dem Rückweg, besonders rund 100km, bevor wir die Küste des Indischen Ozean wieder erreichen. Im Dorf Coorow folgen wir der Ausschilderung „Wildflower Farm“. Dahinter verbirgt sich nicht etwa ein Gehöft, welches die Wildblumen züchtet. Das wäre auch ein Widerspruch. Diese Farm ist eingebettet in unübersehbare Wiesen und Felder mit diesem Naturschmuck. Ein sechs Kilometer langer, sandiger Rundweg führt mitten hindurch. Kleinere Abzweigungen vom Hauptweg, z.B. hinauf auf einen Lookout bieten einen noch besseren Überblick über das vielfarbige Blütenmeer. DSCN9096Somit erfreuen wir uns eines wirklich genüsslichen Abschlusses dieser Inlandstour.

Als nächste Touretappe planen wir den Indian Ocean Drive, der in der Gegend von Dongara beginnt und uns bis kurz vor Perth führen wird.