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K&K 63 – Mit dem Postman im Outback

600km – so groß ist der Zustellbezirk des Postboten im Outback.

Jeden Montag und Donnerstag liefert er die Post aus – jeweils 600km auf Dirt road. Unterwegs läuft er zwei Siedlungen und drei bis vier Cattle Stations an. Wir dürfen ihn auf einer seiner Touren im Allradfahrzeug begleiten.

Mail Run Dirt Road
Mail Run Dirt Road

Wer unternimmt zwei Mal wöchentlich diese (Tor)Tour? Peter Howe, ein quicklebendiger 60jähriger und Outback-Urgestein. Seit 1966 wohnt er in dieser kargen Landschaft, war zunächst im Betrieb des legendären Zuges The Old Ghan beschäftigt. Später versuchte er sich im Goldgräberglück. In COOBER PEDY schürfte er nach Opalen, ohne wirklich rentable Funde. Gefunden hat er dann allerdings nach mehreren erfolgreichen Jahren als kunsthandwerklicher Töpfer mit eigenem Geschäft seinen Traumberuf: Postman im Outback. Als offiziell bestallter Australia Post Contractor fährt er seit nunmehr 14 Jahren alles aus, was Postkunden im einsamen Outback bestellt haben. Als zweite Schiene hat er sich als Outback Guide zertifizieren lassen, so dass er das Postgeschäft mit Outbacktouren kombinieren kann.Karawanenreste DSCN6215

Post wird aber nur ausgefahren, wenn die Wetter- und Straßenverhältnisse es zulassen. Bereits im März hatten wir diese Tour ja angedacht (vgl. K&K 42-Leben im Untergrund) und mit Peter Howe Kontakt aufgenommen. Doch damals fiel sie regelrecht ins Wasser, denn die Outbackstraßen waren wegen langanhaltender Regengüsse für zwei Wochen gesperrt. So hatten wir uns lose verabredet für die Zeit, wenn wir rund drei Monate später  Ayers Rock besuchen. Und dieses Mal standen wir auf der richtigen Wetterseite. Also fahren wir auf dem Stuart Highway vom Ayers Rock noch einmal gut 400km südlich, verlassen dabei auch wieder das Northern Territory und gehen vom Norden her hinein nach South Australia mit seiner Gemüse- und Obstquarantäne und erreichen nach einem kompletten Fahrtag ein zweites Mal die Stadt der Opalminen.

Montagmorgen, es heißt relativ früh aufstehen, denn gegen 8.30Uhr sollen wir am Underground Bookstore auf das Postauto warten. Eigentlich ist es ja ein Allradbus mit Gepäckanhänger. Bevor Peter uns aufliest, hat er bereits am lokalen Flughafen, 10km entfernt vom ersten Flugzeug die Postsäcke abgeholt und sortiert.

Zustellbezirk
Zustellbezirk

Gut gelaunt erklärt er allen, was vor uns liegt: Ein langer Tag. Heute verläuft die Tour im entgegengesetzten Uhrzeigersinn. Das bedeutet, wir steuern zunächst die Siedlung WILLIAM CREEK, später dann das Dorf OODNADATTA. Die Orte liegen beide rund 200km von COOBER PEDY und voneinander entfernt.  Zwischendurch gibt es Stopps auf den Cattle Farmen.

9.00Uhr, der Motor läuft mit höllischem Lärm. Der Rundkurs kann beginnen. Gleich hinter der Stadtgrenze wir die Straße zum Dirt Road, d.h. Schotterstraße, Sandweg oder auch Sumpfkuhle. Da es in den vorhergehenden Tagen doch geregnet hat, trifft die letzte Bezeichnung für den ersten Teil der Strecke am treffendsten zu. Das Allradfahrzeug mahlt sich durch ausgefahrene Schlammspuren, langsam und bedächtig. Nur nicht stecken oder stehen bleiben. Das kostet allerdings viel Zeit, die Peter auf den trockenen Wegabschnitten wieder aufholt. Statt der Mahlgeräusche werden wir nur kräftig durchgeschüttelt, denn wer kann schon jede versteckte Bodenquerrinne vorzeitig erkennen. Und Abbremsen kostet ja wieder Zeit. Die Tour läuft nach Fahrplan ab, der irgendwie eingehalten werden muss.

Outback Postbote
Outback Postbote

So rumpeln wir die ersten Kilometer dem ersten Stopp entgegen. Es ist die Cattle Farm Anna Creek Station. Sie gilt als die größte in ganz Australien, nicht vom Viehbestand her, sondern von der Ausdehnung. Peter erläutert, dass die Farm ebenso groß wie Belgien ist, größer als Israel. Die 60.000 Rinder und geschätzten 90.000 Schafe verlieren sich in diesem Gelände. Und eine Fläche wie Belgien wird hier von insgesamt 10 Personen bewohnt. Die Grenze des Farmgeländes ist gut erkennbar durch den Dingo Fence.  Zum ersten Mal sind wir diesem 5.400km langen Schutzzaun gegen die Dingos in Queensland begegnet (vgl. K&K 46-von Sechs bis Sechs). Hier verläuft er also auch. Unerlässlich für die Viehzüchter soll er sein. Allein auf der Anna Creek Station sollen vor seiner Errichtung jährlich rund 2.6000 Schafe gerissen worden sein. So setzt der Farmer eine extra Zaunpatrouille ein, die die Dichtigkeit des Zaunes regelmäßig überprüft. Rund 14 Tage wird für einen Inspektionsrundgang benötigt. Peters Informationsfluss sprudelt wie ein Wasserfall. Ein neues Problem zeigt sich seit einiger Zeit. Der Zaun wird von Wombats untergraben, was die Dingos dann bald als Schlupflöcher nutzen. Also muss man ihn rund zwei Meter in die Erde versenken, ein Riesenunterfangen. Wenn auch selten,  wird der Zaun von wilden Kamelen niedergetrampelt. Besonders in der Brunftzeit, wenn auf der einen Seite das verlockende Weibchen, auf der anderen der begehrende Kamelbulle steht.

Dingo Fence
Dingo Fence

So fliegt die Fahrzeit schnell dahin. Die wüstenähnliche Landschaft lässt schnell das Nullarbor Feeling wieder aufleben, ein wenig grün, viele kahle Stellen, so gut wie keine Bäume oder Sträucher. Unsere Schotterstraße verläuft größtenteils auf dem Seegrund der ehemaligen Inland Lakes. Vor 1,5 Millionen Jahren hätten wir hier noch nicht entlangfahren können. Da hätten wir bei damaliger Wassertiefe von 4m–5m schwimmen müssen. Heute breitet sich dort ein Art Salzsee aus.

Schließlich nach gut 100km biegen wir ein auf die Einfahrt zur Farm. Ein Glück können wir uns jetzt einmal die Beine vertreten. Dem Hintern tut die Stehposition auch recht gut. Die Farm selbst besteht aus zwei Wohnhäusern, mehreren Schuppen, einer Reihe von Sonnendächern und vielen, aufgebockten Wassertanks. Graue Steinwüste, soweit das Auge reicht. Einige Jungrinder knappern in der Ferne an halbtrockenen Grasbüscheln. Von einsamer Wüstenruhe ist hier nur wenig zu spüren. Die schweren Traktoren und vor allen Dingen die Generatoren tauchen das Farmgelände in einen Dauerlärmpegel. Nach kurzem Aufenthalt – der Fahrplan muss wieder eingeholt werden – rumpeln wir weiter gen WILLIAM CREEK.

Mail Run überschwemmt
Mail Run überschwemmt

11.30 Uhr – Die Siedlung am rund 700km langen Oodnadatta Track ist erreicht. Bei dem Namen dieser Straße bekommen Outback-Allrad-Enthusiasten feuchte Augen. Sie gilt nämlich als die Königsroute unter den 4WD-Fahrern. Sicherlich auch wegen ihrer landschaftlichen Schönheit, besonders aber wegen der Herausforderungen, die auf dieser Strecke an Mensch und Material gestellt werden. Man hole sich den symbolischen Outback-Ritterschlag an den jeweiligen Endpunkten im nördlichen MARLA (am Stuart Highway) bzw. dem südlichen MARREE:

Wir holen uns nach 180km Dirt Road einen Kaffee im dortigen Hotel-Restaurant. Sechs ständige Einwohner zählt die Siedlung, die außerdem noch einen Campingplatz vorweist. WILLIAM CREEK gilt als wichtige Übernachtungs- und Zwischenstation mit Tankstelle auf der Outbackroute. Und auch im ansässigen Reifenreparaturzentrum soll es immer sehr geschäftig zugehen. Von dörflichen Fluglandeplatz / Airstrip aus kann man Rundflüge über den archetypischen Lake Eyre und den Painted Rocks buchen. Gleich gegenüber vom Buchungscontainer hat im sandigen Dorfpark die zweite Brennstufe einer ehemaligen Satellitenrakete ihre letzte Heimat gefunden. Schon heißt es nicht mehr Park, sondern Freiluftmuseum.

William Creek
William Creek

So ein 10-Minuten-Rundgang macht hungrig. Eine Stunde Mittagspause ist uns vergönnt. Die gut sortierte Speisekarte weist typische Outbackburger aus, zu genießen im stilechten Restaurant aus der Pioneerepoche. Aber eigentlich wollen wir nicht schon wieder sitzen. Die nächsten 200km stehen ja bald an. Man kann ja auch im Stehen essen.

Pünktlich nach 60 Minuten mahnt Peter zum Aufbruch – der Fahrplan! Das letzte Hundegebell ist in der Ferne verklungen. Die Rüttel- und Schüttelgeräusche haben das Zepter wieder übernommen. Die nächsten beiden Stopps sind wiederum Cattle Stations mit mehr oder minder sofortiger Weiterfahrt. Unterwegs machen wir Halt an einem Historic Marker, einem Gedenkstein für einen der hier durchgezogenen europäischen Forscher, David Lindsay.  Insgesamt 6.886km ist er 10 lange Monate durch dieses Wüstengebiet gezogen auf der Suche nach den besten geographischen Verhältnissen für eine Überlandleitung. Er und seine 14 Mitstreiter bedienten sich dafür einer Kamelkarawane mit 60 Tieren. Als Kamelführer boten sich stets Afghanen an, die die Tiere aus ihrem Heimatland hierher transportiert hatten. Doch irgendjemand muss irgendwann einmal nicht richtig aufgepasst haben. Jedenfalls sind wohl ein Dutzend Tiere entflohen. Seither gibt es „wilde“ Kamele in dem Landstrich mit wachsender Populationsquote. Neben dem Steinmonument rottet noch das originale Deichselgeschirr mit Radachse eines der Transportwagen stille vor sich hin, seit 1891.

Salzsee
Salzsee

Wir vergessen die Kilometerzahl nicht. Mittlerweile haben wir insgesamt 300 davon zurückgelegt, also die Hälfte. Die Uhrzeiger sind mittlerweile auf 16.30 Uhr vorgerückt, als Peter ein weiteres Mal hält. Jetzt spielen Postauslieferung und Fahrplan offensichtlich keine Rolle mehr, denn Peter hat im Wüstensand die Nationalblume vom Northern Territory entdeckt. Da er auch als bekannter und begabter Outback-Fotograf gilt, legen wir einen entsprechend langen Fotostop ein. Peter ist gut vorbereitet mit Spezialkamera und einer Decke, um sich auf den Bauch legen zu können. Denn die Sturt Desert Pea kriecht auf Wurzelsträngen am Wüstenboden entlang. blutrot blüht sie jetzt im Winter. Schwarze Augen zieren ihre Blütenblätter. Sie ähnelt eher einer Fledermaus denn einer Blume. Jetzt sind wir es, die Peter zur Weiterfahrt mahnen müssen, denn am Himmel deutet sich ein zartes Rot der untergehenden Sonne an. Und wir haben ja erst rund die Hälfte der Strecke geschafft.

Sturt Desert Pea
Sturt Desert Pea

Ein zusätzlicher kurzer Zwischenhalt ergibt sich an den Relikten der alten Ghan Eisenbahnstrecke, direkt an der ehemaligen Algebuckina Brücke, die den River Neales überspannt. Alles ist fast noch so erhalten wie zu seligen Pionierzeiten.

Nunmehr ruft Peter zur baldigen Weiterfahrt, denn vor uns soll ein relativ komplizierter Streckenabschnitt liegen mit vielen Bachdurchquerungen und eventuell überschwemmten Straßenabschnitten. Peter soll recht behalten. Manche Überflutungen haben den Umfang von Teichen. Von oben kann man ja nicht sehen, wie tief die Wasser sind. Da heißt es, sich Meter um Meter vortasten, bis es am anderen Ende wieder bergauf ins Trockene geht. Mittlerweile, gegen 18 Uhr ist es völlig dunkel geworden. Das erleichtert den  Fahrerjob auch nicht unbedingt.

Roadhouse
Roadhouse

18.30Uhr – Wir rollen auf das rosafarbene Roadhouse in OODNADATTA zu. Angestrahlt sieht es sicherlich viel mystischer aus als bei Tageslicht. In ihm lädt Peter den Hauptteil seiner Fracht ab, denn das Dorf bewohnen immerhin 600 Einwohner. Es beherbergt allerdings eine Schule mit 50 Schülern und 5 Lehrkräften, so wie eine permanente Polizeistation mit einem Polizisten. Erst kürzlich wurde hier das  neuerbaute Dorfgefängnis eröffnet. Die ärztliche Versorgung stellen die Flying Doctors sicher, die jeden Donnerstag in der Ambulanzstation eine Sprechstunde anbieten.

19.00 Uhr – Das Roadhouse  mit General Store schließt die Pforten. Wir müssen uns auf den Heimweg zurück nach COOBER PEDY machen. Noch 200km weist der Wegweiser aus. Tiefe, schwarze Nacht hüllt uns ein. Unterwegs wird Peter nicht müde, uns mit Stories aller Art zu unterhalten. Die Autoscheinwerfer mit den zusätzlichen Fernstrahlern leuchten die Straße einigermaßen aus. Nur noch zwei Lieferstationen sind anzulaufen. Die Cattle Station erreichen wir gegen 21Uhr, den Wüstenbriefkasten etwas später. Dieser Briefkasten ist lediglich eine überdimensionierte Blechkiste am Wegesrand. Wer sie nicht kennt, glaubt an Müllfrevel.

Mail Run überschwemmt
Mail Run überschwemmt

Auf einer Straßenkuppe schließlich erkennen wir am Horizont flimmernde Lichter. Das sei COOBER PEDY, erläutert Peter. Wir können über die vom Vollmond beschienene Moon Plain blicken. Nur noch 55km bis zum Abfahrtspunkt, fügt er hinzu. Um 22.30Uhr rollen wir wieder in der Opalstadt ein. Von Müdigkeit ist bei Peter nichts zu spüren. Wie lange er den Job noch machen wollen, fragen wir ihn. Wenn Alles gut geht, möchte er gern die 25 Jahre Postman im Outback erreichen.

Übrigens: Wer OODNADATTA bei Tageslicht, WILLIAM CREEK hingegen in der Nacht erleben möchte, nehme die Donnerstagstour. Dass fährt Peter nämlich genau anders herum, im Uhrzeigersinn. Egal in welcher Richtung, eine Tagestour mit dem Outbackpostboten ist ein ganz besonderes Erlebnis. Wer diese köstliche Spezialität auch erleben möchte, alle wichtigen Informationen sind zu finden unter  www.mailruntour.com.au

Wegbegleiter
Wegbegleiter

Die Post ist ausgeliefert, wir planen unsere weitere Route. Als nächstes Ziel fassen wir DARWIN ins Auge, knapp 2.200km nördlich von COOBER PEDY. Das bedeutet auch, die nächsten drei Tage werden wir wohl ausschließlich On The Run verbringen.