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K&K 71 – Das Reef von gegenüber

Das Great Barrier Reef an der Ostküste genießt Weltruf und wird entsprechend frequentiert. Das Ningaloo Reef an der Westküste bleibt hingegen weniger bekannt.

Bergkängurus
Bergkängurus

Der im vorherigen Kapitel angekündigte Szenenwechsel hat sich somit vollzogen. Die dominierende Farbe Rot ist einem durchweg satten Grün gewichen. Die tropische Ära gehört  südlich des Karijini National Parks mehr oder minder der Vergangenheit an. Nur noch vereinzelte Palmen wachsen wenn überhaupt in den Ortschaften. Da es aber in der durchlöcherten Einsamkeit so gut wie keine Orte gibt, fällt auch der Palmenbestand entsprechend spärlich aus. Denn zwischen dem Karijini National Park bis zur nächsten nennenswerten Ortschaft, Exmouth, liegen immerhin 650 Kilometer.

Davon sind rund 170km auf dem Highway der North West Cape Halbinsel zu fahren, fast bis in die Spitze hinein. Exmouth, eine Stadt, die sich nunmehr fast völlig dem Tourismusgeschäft ergeben hat. Bevor es soweit gekommen war, diente sie als Militärstützpunkt. Während des WW II extra als Marine und Airforce Basis erbaut, war sie ein wichtiger Standort im Pazifikkrieg gegen die Japaner und musste unter den Bombardements entsprechend leiden. Heute erinnern nur noch einige Gedenksteine und das Potshot Memorial an diese Zeit von 1942-1945.

Als Stadtbild bleibt Exmouth recht konturenlos. Niedrig geduckte Häuser mit überwiegend grauen Dächern schimmern aus der Busch- und Weidelandschaft hervor. Als charakteristisches Stadteinfallstor präsentiert sich eine nagelneue, riesige Marina. Hier auf sandigen Flächen gibt es noch viele freie Grundstücke mit eigenem Bootsanlegesteg, die einen Käufer suchen. Das Ortszentrum als großflächiges Shopping Center strotzt vor Funktionalität. Ansonsten alle Arten von Touristenunterkünften en masse. Der Camper nimmt den Nachteil in Kauf, dass er nirgendwo frei übernachten darf, profitiert hingegen beim gut sortierten Visitor Information Center von einem kostenfreien Trinkwasserhahn. Dieser Umstand ist allein schon deshalb erwähnenswert, weil auch auf den Campingplätzen in der Umgegend das Wasser aus dem Hahn nicht trinkbar ist.

Doch an Exmouth kommt niemand vorbei, der den Cape Range National Park der Halbinsel besuchen möchte. Fast die gesamte Halbinsel bedeckt diese Naturperle auf der Westseite. 75km von Exmouth bis zum Yardie Creek um die Spitze der Halbinsel herum eine wundervolle Tour. Im Zentrum erhebt sich stets die North West Range. Die Straße verbleibt in Küstennähe mit vielen, vielen Strandzugängen und kostenpflichtigen Campingmöglichkeiten (Natur- oder Wildernesscamping).

Cape Range NP
Cape Range NP

Außer all den wunderschönen Beaches, Dünen und Picknick- Möglichkeiten bleibt jedoch der Besuch des Yardie Creek Gorge der unschlagbare Höhepunkt des National Parks. Ein drei Kilometer langer Naturpfad führt zu ihm hin und teilweise an seine Felskanten heran. Um aber die einzigartigen, nur dort ansässigen Bergkängurus / Rock Wallabies aus nächster Nähe und in ihrer felsigen Umwelt beobachten zu können, empfehlen wir die Yardie Creek Gorge Cruise (www.yardiecreekboattours.com.au/). Das Boot gleitet zunächst entlang am dichten Mangrovenwald und schiebt sich dann Stück für Stück hinein in den rund 50m hohen Felseinschnitt. Die artenreiche Vogelwelt mit z.B. Kingfisher, Habicht oder Kormoranen gibt sich ein Stelldichein. Die in den Felsnischen und Höhlen beheimateten Bergkängurus bleiben der Höhepunkt.  Wie Gemsen klettern, besser hüpfen sie über die oftmals senkrechten Felskanten bis zum nächsten Vorsprung. Mit ihren überlangen Schwänzen steuern sie ihren Sprung, um sich danach sofort mit ihnen auf dem neuen Standplatz abzustützen – eine Bootstour und ein Naturschauspiel der besonderen Art.

Geschützte Natur pur bietet wasserseits der Ningaloo Marine Park mit dem Reef. Als World Heritage gelistet  gilt es als eines der längsten Reefs der Welt. 300km erstreckt es sich von Exmouth bis zum Red Bluff nördlich von Carnarvon.  Im Unterschied zum Great Barrier Reef reichen die Korallenriffe hier im Westen aber teilweise bis auf 100m an die Küste heran. Das erleichtert den Zugang, erschwert den Schutz und zieht gleichzeitig Heerscharen von Tauchern, Schnorchlern und Anglern an. So wurden zahlreiche Sanctuaries als besondere Schutzzonen eingerichtet, die für jegliche Form von Freizeitbeschäftigung tabu bleiben. Ein besonderes Augenmerk richtet sich dabei auf die Schutzzone für Schildkröten. Ein eigenes Informations- und Forschungszentrum lädt zum Besuch ein mit Ranger geführten Abendwanderungen während der Schlüpfzeit der Jungtiere.

Blowholes
Blowholes

Wer nicht so tauch- oder schwimmfreudig ist, das Korallenriff aber trotzdem bestaunen möchte, mache eine Tour mit einem Glass Bottom Boat. Die in Exmouth stationierten Ningaloo Ecology Cruises (www.glassbottomboat.com.au) bietet sich hierfür als geeigneter Ansprechpartner an. Die knapp 90minütige Tour bietet alles, was man von einer solchen Boots-/Besichtigungstour erwarten darf.

Die gesamte Coral Coast gilt auch als Durchzugsgebiet für Wale. Auf ihrer jährlichen Route schwimmen die Meeresgiganten nicht einfach nur diese Küste entlang. Sie haben sich die Region der Ningaloo Coast als Brutgebiet erkoren. So können auf diversen Whale Watching Touren mit etwas Glück Mutter und Jungtier gemeinsam auf ein Foto gebannt werden. Doch Westküste bedeutet auch Windküste. Und so kommt es häufiger vor, dass vorgesehene und ggf. auch bereits gebuchte Touren kurzfristig abgesagt werden müssen. Wer viel Zeit mitbringt, wird dann schon einige Tage später solch eine Tour machen können. Für den Rest bleibt es manchmal bei der Absicht.

Um die spezielle Stimmung dieses North West Capes wirklich in sich aufnehmen zu können, sollte man mehrere Tage einplanen. Wenn man lediglich einmal die Nationalparkstraße hin und wieder zurück fährt, geht vieles an Atmosphäre verloren. Allein schon die unbeschreiblichen Sonnenuntergänge an dieser Sunset Coast lohnen das Warten. In sich einsaugen lässt sich das Sonnenschauspiel entweder von einem der zahlreichen Strände aus oder am besten vom Leuchtturmhügel.

Voller toller Eindrücke verlassen wir nach drei Tagen schließlich das North West Cape wieder. Rund 150 ereignislose Straßenkilometer südlicher werfen wir noch einen kurzen Blick in die Touristensiedlung Coral Bay, immer  noch am Ningaloo Reef gelegen. Hier kann man eigentlich nicht mehr von einem Ort sprechen. Er sollte eher als großer Campingplatz mit ausschließlichem Tourismusangebot bezeichnet werden.

Astronautenblick
Astronautenblick

Machen wir uns auf nach Carnarvon zum südlichen Ende des Ningaloo Reefs. Den eigentlichen Anziehungspunkt bilden allerdings die Blowholes an der felsigen Ozeanküste, rund 70km nördlich der Stadt. Die mächtige Ozeandünung drückt Wasser in unterirdische Meereshöhlen. Wie kalte Geysire spritzen dann Fontänen durch die engen Röhren mit Spitzen bis zu 20m Höhe.

Stadt und Umgebung selbst bezeichnen sich als Obstkorb Westaustraliens. So säumen die Ortsränder am mächtigen Gascoyne River denn auch große Obstanbaugebiete, vor allem Bananenplantagen. Zum Meer hin prägen Dünen das Landschaftsbild. Ein 2,5km langer Wanderweg führt auf einem ehemaligen Gleisbett  von der Innenstadt hinaus zum Steam Train Museum und zur One Mile Jetty. Gegen Eintritt darf sie betreten werden, etwas mehr kostet die Fahrt auf ihr mit der Minieisenbahn.

Erheblich interessanter präsentiert sich Carnarvons Space & Technology Museum. Der Ort mit seiner ehemaligen Leitstrahlfunktion für bemannte Raumfahrzeuge spielte eine gewichtige Rolle während der Mercury, Gemini und Apollo Raumfahrtprogramme der 1960ger bis 1980ger Jahre. Diese Weltraumprogramme sind nunmehr eingestellt. Dadurch hat die Stadt ihre Raumfahrtfunktion eingebüßt und das Beste aus dem Verlust gemacht. Heute erleben wir die Mondlandung von 1969 noch einmal in verschiedenen Filmen nach. In der Enge  des Raketencockpits (Maßstab 1:1) eines der Apollo Raumschiffe spüren wir, wie die Astronauten seinerzeit in Rückenliegeposition starteten. Rund acht Minuten lang vollziehen wir  das Gefühl einer startenden Rakete und den Eintritt in die Erdumlaufbahn nach. Interaktive Displays z.B. zur Berechnung eines Raketenabschusses um den Mond zu treffen, geben einen recht realistischen Einblick in die Komplexität von Raumfahrt. Ohne dass Langeweile aufkommt, kann man gut zwei bis drei Stunden in diesem Museum verbringen.

Monkey Mia
Monkey Mia

Somit können wir nach diesem Museumsbesuch den Ort aber auch ruhig wieder verlassen. Landschaftlich ruhig, um nicht zu sagen eintönig, geht es dann die nächsten 200km weiter südlich Richtung Shark Bay, immer dem North West Coastal Highway folgend. Am Wegesrand zeigt sich weiterhin  geducktes und gedrungenes Gras- und Buschland. Hier und da durchziehen Schafe oder Ziegen die Ebene. Allmählich fangen erste blau-violette, rote, gelbe und weiße Farbflecken an zu leuchten. Wir stehen im ausgehenden australischen Winter (August) an der Schwelle zur Blüte der Wildblumen.

Etwas mehr als 200km südlich von Carnarvon lockt eine weitere Halbinsel zur Erkundung, die World Heritage gelistete Shark Bay mit dem weltbekannten Monkey Mia. Bevor wir an diesen Delphin Strand gelangen, geht es noch einmal 130km bis an die Spitze der Halbinsel.

Segeltörn
Segeltörn

Erstaunlich, wie viele Frühaufsteher es gibt, nur um die morgendliche Begegnung mit den Delphinen nicht zu verpassen. Rund 250 Zuschauer mögen es sein, die ab 7.30Uhr den Strand säumen. Allerdings dürfen wir noch nicht an die Wasserkante selbst, sondern müssen brav auf dem boardwalk abwarten, bis die Ranger der Wildlife Parkverwaltung grünes Licht geben. Inzwischen patrouillieren auch bereits diverse Delphine den Strandabschnitt auf und ab. Sie kennen Treffpunkt und Zeit ganz genau. Denn an 360Tagen im Jahr sollen sie hier zuverlässig aufkreuzen. Sieben Tiere sind es an unserem Morgen. Ganz nah kommen sie ans Ufer heran, suchen quasi den Kontakt zum Menschen. Zwischen den Delphinen und den menschlichen Gästen gehen die Ranger im Wasser auf und ab, damit niemand auf die Idee kommt, die Tiere zu streicheln. Eigenwilliges Füttern bleibt ebenfalls verboten, damit die Delphine ihr Wildtiergebaren nicht ablegen. Unter Aufsicht und in Minimengen wird aber doch gefüttert. Ein bis zwei Fische erhält jedes Tier aus der Hand eines Zuschauers. Rund 45 Minuten dauert die Wildlifebegegnung. Dann schwimmen die Tiere wieder hinaus aufs offene Meer. Allerdings wiederholt sich die Prozedur im Verlauf des Vormittags noch zwei Mal. Andere Delphine kommen zur Fütterung. Es scheint, als ob es einen festen Essenszeitplan der Delphine gibt. Die Ranger können die Einzeltiere beim Namen nennen. Viele Tiere leben schon über 30 Jahre in der Bucht. Australische Westküste ohne Monkey Mia – undenkbar.

Eine weitere Delphinschau steht dann am Nachmittag auf dem Programm. Mit einem Katamaran segeln wir für drei Stunden in den Indischen Ozean hinaus. Ohne Motorgeräusche, nur das Säuseln des Windes und das Schlagen der Segel im Ohr gleiten wir still durch das glasklare Wasser. An den flachen Stellen blicken wir hinab bis auf den Meeresboden. Ein Rochen /Manta Ray hat sich im Sand vergraben. Nur die Schwanzflosse zeigt sich. Und auch sie wäre unentdeckt geblieben, hätte der Fisch sie nicht bewegt. Hin und wieder schwimmt eine Schildkröte vorbei. Doch im Mittelpunkt bleiben die Delphine, die immer wieder um den Segler kreisen. Bei den milden Wintertemperaturen von 20°C bis 25°C bleibt es eine ruhige, gemütliche Cruise. Wir können dieses Angebot von Monkey Mia Wildsights Tours auf dem Segler „Shotover“ (www.monkeymiawildsights.com.au) nur loben.

Stromatoliten
Stromatoliten

Damit ist allerdings das Erkundenswerte auf der Shark Bay Halbinsel noch lange nicht ausgeschöpft. Ziemlich am Südende bietet sich ein Zwischenstopp an, um die Stromatoliten zu besichtigen. Mit ihnen steigen wir ein in die sinnbildlich tiefste erdgeschichtliche Höhle allen Lebens. Sie sollen seit 3.000 Millionen Jahren existieren und die Urform allen Lebens darstellen. Eigentlich sind es nicht anderes als Bakterien gestützte Mikroben, welche in hochsalzigem Wasser existieren. Sie bilden eigenartig eingedrückte ovale Steingebilde, wachsen in Kolonien und kommen eigentlich nur in dieser Gegend vor.

Shell Beach
Shell Beach

Die vielen Outlooks auf der Halbinsel sind alle samt und sonders die ausgewiesenen kurzen Abstecher wert, egal ob Eagle Bluff, Little Lagoon oder Hamelin Pool. Eine Besonderheit bleibt die Shell Beach. Ein Mekka für Muschelsammler? Nein, denn das Areal steht unter besonderem Naturschutz, und Muschelsammeln ist bei Strafe verboten. Dabei gibt es auf den 4km Länge Trillionen der winzigen Hamelin Cockles oder Coquina Shells. Nur wenige Millimeter sind sie in der Regel groß. Der Strand ist eben statt mit Sand mit diesen Muscheln bedeckt in z.T. mehreren Metern Dicke. Gepresst werden sie auch als Baumaterial für Hauswände verwendet. Bei strahlendem Sonnenschein können wir ohne Sonnenbrillen auf dem Strand nicht wandern, derart gleißend reflektieren die Muscheln das Licht.

Ich bin ein Fisch / Steinfisch
Ich bin ein Fisch / Steinfisch

So gemütlich es auf der Segeltour zuging, so hektisch kann es im Ocean Park bei der Stadt Denham werden, nämlich immer dann wenn es zur Fütterung der Haie geht. Dieses überwiegende Freiluftaquarium (www.oceanpark.com.au) direkt an der Küste des Indischen Ozeans mit herrlichem Blick von seiner Terrasse aus hat vielfältige, besondere Fischarten in seinen Becken, eben auch Haie. Die geführte Aquariumstour gibt gute Einblicke in die Unterwasserwelt. Als Magnet des Ocean Park gelten jene stündlichen Haifütterungen – eine passende Institution auf der Shark Bay.

Wen es bei so viel Natur wieder ins Städtische zieht, ist in Denham, dem Hauptort der Halbinsel gut aufgehoben. Alle notwendigen Versorgungseinrichtungen sind vorhanden. Das Visitor Information Center hilft bei der Programmgestaltung. Mit seiner langen Promenade an der Beach Front kann der Badeort wirklich punkten. Im Verlauf unserer Rundreise haben wir bereits zahlreiche Küstenorte besucht. Denham gehört aus unserer Sicht zu den einladend angenehmsten.

Wir werden nach Shark Bay noch ein wenig weiter auf Küstenkurs bleiben Richtung Geraldton ca. 500km südlicher, um dann ins Binnenland einzuschwenken. Die Monate August bis November gelten als Saison der blühenden Wildblumen. Lassen wir uns überraschen, wie farbenfroh sich die Landschaft zeigen wird.