K&K06 – Von Böhmen bis Schottland

Küstenlandschaft-Frühlingserwachen
Küstenlandschaft-Frühlingserwachen

Zwischen Böhmens größter Stadt Prag bis zur Hauptstadt Schottlands Edinburgh liegen in Europa knapp 2.000km. Doch hier auf Neuseelands Nordinsel an der Ostküste nördlich von Auckland beträgt die Distanz zwischen den beiden Regionen lediglich knapp 200km. Es bewahrheitet sich also, dass Neuseeland den gesamten Globus en miniature abbildet.

Tourstrecke Puhoi-Waipu
Tourstrecke Puhoi-Waipu

Denn Böhmen, hier repräsentiert durch „The Bohemian Village PUHOI“ und Schottland mit dem Ort WAIPU sind in der Tat europäische Ableger.

Cheese Cellar Puhoi
Cheese Cellar Puhoi

Malerisch eingebettet in die dunkelgrüne Hügellandschaft zeichnen zwei Anziehungspunkte das 500-Seelen-Dorf PUHOI aus: Das Museum über die gleichnamige böhmische Siedlung sowie die landesweit be- und gerühmte Käsefabrik.

Die Käsefabrik erklärt sich von selbst. Haupterwerb dieser Region sind offensichtlich alle Arten von Viehzucht. Vielfalt und Geschmacksrichtungen der Käsesorten lassen nichts zu wünschen übrig. Was spricht gegen den Verzehr einer der im angeschlossenen Café angebotenen „Käseplatten“? Außer dem relativ hohen Preis (15€p.P. bei nur 90g Käse) nichts!

Klein Böhmen
Klein Böhmen

So reich an Delikatessen ging es bei den böhmischen Einwanderern Mitte des 19.Jh. anfangs nicht zu. Die seinerzeit 82 Aussiedler erhielten vom damaligen neuseeländischen Staat rund 40ha hügeliges Buschland zur Urbarmachung. Wie groß mag dazu noch der Kulturschock gewesen sein bei ersten Begegnungen mit den Maori Ureinwohnern, die den Neusiedlern gegenüber nicht nur freundlich gestimmt waren. Man sollte also eher von einem Überlebenskampf sprechen. Einige Siedlungshäuser, die 1880 erbaute Schule sowie die St. Peter und Paul Kirche von 1882 sind erhalten geblieben. Eine am Museumseingang gehisste deutsche Fahne weist den Weg.

Leigh-Goat Island
Leigh-Goat Island

Weiter führt uns die Tour direkt an die Pazifikküste in den Flecken LEIGH zur Erkundung der Unterwasserwelt im „Goat Island Marine Reserve“. Per Glasboden- Boot gleitet man über die Pflanzen- und Fischwelt des Meeresbodens hinweg. Die Garantie „No Fish – No Charge“, also Geldrückgabegarantie, braucht nicht zu greifen. Die zu sichtende Ausbeute hält sich jedoch in Grenzen. Ergötzen wir uns eher an der umgebenden Küstenlandschaft und der Rundfahrt um die „Ziegeninsel“ mit tiefen Einblicken in vom Meer eingekerbte Höhlen.

Schafschur
Schafschur

In einem Land, in dem es mehr als zehn Mal so viele Schafe wie Einwohner gibt (44Mill. zu 3Mill.), welches den Spitznamen „Paradies für Schafe“ trägt, verwundert es nicht, häufig auf sogenannte Schaffarmen zu treffen, alle von der Größe her unterschiedlich von einigen hunderten bis mehreren zehntausend Tieren. Nahe des Ortes WARKWORTH lohnt sich der Besuch einer mittelgroßen Farm mit rund 10.000 Tieren. Während einer lehrreichen Unterrichtsstunde im Schafscheren, incl. einiger Eigenversuche, erfahren wir, dass diese Prozedur für die Tiere keinesfalls an vermeintliche Tierquälerei grenzt. Der Schafscherer kennt wie ein Chiropraktiker die Druckpunkte genau, um die Reflexe der Tiere für die benötigten zwei bis drei Minuten ruhig zu stellen. Ungeschorene Schafe würden letztendlich am Gewicht des Fells, besonders wenn es sich voll (Regen-)Wasser gesogen hat, und der Wärmeentwicklung zugrunde gehen. Wie uns John, der „Profifriseur“ erläuterte, könne er von dem aktuellen Wollpreis zwischen 3,50 und 5,00NZD/kg ganz gut leben, allerdings nur bei einer Tagesleistung von 500 Schaf- bzw. 800 Lammschuren. „That’s real work to do“, fügte er hinzu. Der unternommene Schureigenversuch erbrachte ja auch schon immerhin eine kahle Fläche in Taschentuchgröße innerhalb von 10Minuten.

Father McLeod
Father McLeod

Reine Schurwolle benötigten und benötigen auch heute noch die schottischen Aussiedler im Ort WAIPU zur Herstellung des Tartan (Webmuster für Schottenbekleidung, auch Schottenkaros genannt). Das Museum über diese erste schottische Siedlung in Neuseeland versinnbildlicht die „Suche nach dem Paradies“. In mehreren Wellen landeten im 19.Jh. an der nahe gelegenen Küste mehrere Schiffe voller Aussiedler an. Diese armen Teufel waren wegen der „clearance“ (Beginn der industriellen Schafzucht gegen traditionelles Farmerwesen) gezwungen, ihr angestammtes Farmland aufzugeben. Und so verließen insgesamt sieben Schiffe mit 940 Vertriebenen den Hafen von Ullapool (1817), zunächst Richtung Kanada nach Nova Scotia. Hier wurden sie nicht glücklich, zum einen wegen des harschen Klimas. Zum anderen machten ihnen Hungersnöte zu schaffen. Also unternahmen sie unter der Führung des Calvinistenpfarrers Norman McLeod die Weiterreise (1851) nach Australien nach Adelaide, später dann nach Melbourne. Den Lebensbedingungen während des damaligen „Goldrush“, geprägt von Kriminalität und Epidemien, konnten und wollten die Schotten nicht standhalten. Der Ausweg bestand in der Weiterreise nach Neuseeland, eben in jenes Waipu.

Diese Odyssee wird heute noch „The Search for Paradise / Die Suche nach dem Paradies“ genannt. Trotz aller Widerwärtigkeiten halten die Aussiedler ihre schottischen Traditionen hoch bis in unsere Tage, einschließlich der jährlichen „Highland Games“.

Puhoi Caves
Puhoi Caves

Und die Landschaft drum herum? Hier und da trifft man auf eine frei zugängliche Höhle, wie z.B. die Puhoi Caves.

Subtropischer Urwald
Subtropischer Urwald

Ansonsten machen uns die Naturschönheiten schier sprachlos. Man spürt das Frühlingserwachen der Pflanzenwelt. Bei ca. 15°C sprießen alle möglichen Frühlingsknospen. Das beginnende Hellgrün der in Europa bekannten Mischwälder paart sich hier mit dem dunkleren Grün von Palmen- und Farngewächsen – ein Charakteristikum für eine subtropische Vegetation. Die Küstenstreifen ähneln denen Schottlands, schroff, felsig mit oft unendlich weitgezogenen, fast weißen Stränden. Doch auf der neuseeländischen Nordinsel nennen wir es „Schottland de luxe“, denn an diesen Stränden laden Frühlingssonne und Wärme zum Relaxen und für Verwegene zum Schwimmen und Tauchen ein.