K&K07 – Höhenflüge und Tiefgänge

Mit den Kiwis ist es wie mit den Elchen in Norwegen: 100 Warnschilder, aber kein entsprechendes Tier lässt sich blicken. Vielleicht hängt das mit der überwiegenden Nacht- bzw. Dämmerungslebensweise von Kiwi und Elch zusammen. Aber ein Kiwischild ist doch auch schon mal etwas Schönes. Und ein Foto aus einer Kiwischutzstation zeigt zumindest schon einmal die Umrisse von Neuseelands Wappentier. Wo wir den generell flugunfähigen Vogel entdeckt haben?

Kiwi DSCN095550km nördlich des damaligen Einwandererortes der Schotten, Waipu (vgl. K&K06), stoßen wir auf das „Tor zum Nordens“, die 50.000 Einwohner zählende Stadt WHANGEREI. Wenn wir in diesem Zusammenhang von einem „Höhenflug“ sprechen, so ist damit in erster Linie nicht der 240m hohe Hausberg Mt Parihaka mit seinem Obelisken gemeint, obschon der Rundblick aus der Höhe auf die Stadt in sich schon einen Besichtigungshöhepunkt darstellt. Die eigentlichen Höhenflüge unternimmt die Stadt vielmehr im kulturellem und naturellem Gebiet.

Zwar stark industriell geprägt, strahlt die Stadt eine ruhige, fast provinzielle Atmosphäre aus. Die Gebäude an der Hafenuferpromenade im Town Basin, dem Herz der City, weist Kolonialstil aus. Auf ihrem 5km langen Rundweg, dem „Hatea Loop Walkway“, trifft der Besucher auf eine sehenswerte Skulpturenmeile mit einem künstlerischen Hauptwerk, der „Waka and Wave Sculpture“, dem Symbol der Maoris für die Anlandung auf Neuseeland.

Generell fühlt man sich in Whangarei eher auf einer Kunst-und Museumsmeile oder in einer Parklandschaft denn in einer Stadt. Nicht weniger als fünf Galerien und Museen laden zum Besuch ein: Whangerei Art Museum, Reyburn Art Gallery, The Quarry Arts Center, The Paper Mill, The Kiwi North Refugium/Museum. Da darf dann natürlich auch nicht der wöchentliche Kunstmarkt auf der Canopy Bridge fehlen.

Uhrenmuseum Whangarei
Uhrenmuseum Whangarei

Als Königin unter diesen Sehenswürdigkeiten ragt jedoch „Claphams National Clock Museum“ hervor. Unter dem Motto „Now’s the time to explore time / Die Zeit ist reif, Zeit zu entdecken“ flaniert der Besucher durch eine Galerie von 5.000 Uhren. Ist das ein Ticken, Rasseln, Schlagen, Klingeln, Schellen und Singsang der Spieluhren, zusätzlich zu den optisch überwältigenden Eindrücken. Würden diese Uhren alle gleichzeitig zur vollen oder halben Stunde schlagen, löste das Taubheitseffekte aus. Also lässt man sie sich nacheinander akustisch äußern. Für den angeheuerten Uhrmacher bedeutet das Museum einen einträglichen Fulltimejob.

Whangarei Falls
Whangarei Falls

Nicht weniger beeindruckend die vielfältigen Naturschauspiele und Parks des Ortes, ob nun der Caffler Park mit seinem Rosengarten, der Botanische Garten mit dem Schwerpunkt auf subtropische Pflanzenwelt, der AH. Reed Kauri Park, eine als Urwald belassene Schlucht voller Farne, Palmen und den riesigen Kauribäumen. Ergänzt wird dieses Parkspektrum durch die „Quarry Gardens“, d.h. einem geschickt renaturierten ehemaligen Steinbruch, und den 26m hohen Whangarei Wasserfällen.

Ob man die „Fudge Farm“ im Stadtzentrum als Sehenswürdigkeit oder Verführungstempel betrachtet, mag offen bleiben. Wir schließen uns dem Werbespruch an: „Let your taste buds take a trip down memory lane“. (in etwa: Schicke deine Geschmacksknospen auf den Wiedererkennungsweg“. Guten Appetit!

Der schnellste, kürzeste aber auch uninteressanteste Weg gen Norden führt über die inländische SH 1 Route. Viel spannender an Natur und Erlebniswelt sind die Panorama-Küstenrouten, zwei Straßenschleifen immer dem „Twin Coast Discovery Trail“ entlang. Die südlichere führt uns an die TUTUKAKA-COAST. In den kleinen Küstenorten findet sich manches Kleinod.

Armer-Ritter-Silhouette
Armer-Ritter-Silhouette

Nun zu den Tiefgängen, sprich der Unterwasseraktivitäten: Der Taucherparadiese gibt es unzählige in Neuseeland, kein Wunder bei insgesamt gut 15.000km Küstenlinie. Über ein weniger bekanntes wollen wir heute berichten. Rund drei Autostunden von Auckland entfernt auf der Nordinsel Neuseelands ragt eine kleine, schroffe Inselgruppe aus dem Meer. Vier lediglich mit Buschwerk bewachsene Felsen ragen 24km von der Küste entfernt rund 300m aus dem Meer empor. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren diese unwirtlichen Eilande von Maoris besiedelt. Eine Fehde verschiedener Maoristämme untereinander soll jegliches menschliches Leben dort ausgelöscht haben. Eine Wiederansiedelung erfolgte nicht. Schließlich erklärte 1981 das „Department of Conservation“ (DOC / Umweltschutzbehörde) die Inseln und das sie umgebende Meer zum „Marine Reserve“, also zum Meeresnaturpark . Kein Mensch darf seither die Inselgruppe betreten, von einigen DOC-Angehörigen abgesehen. Erlaubt sind lediglich wenige, nachweislich umweltfreundliche Yachten für Tauchexpeditionen.

Und der Name der Inselgruppe, der im Deutschen „Arme Ritter“ bedeutet? Es gibt mehrere Deutungsvarianten. Unsere heutige entsprechende Süßspeise soll Vollnahrungsmittel zu Zeiten Captain Cooks gewesen sein, als dieser am Weihnachtstag 1769 die Inseln entdeckte. Ein anderer Erklärungsversuch bezieht sich auf die Silhouette der beiden Hauptinseln, welche einem liegenden Ritter ähneln soll. Oder war es doch nur schlichtes Konkurrenzdenken? Bekanntlich hatte ja etliche Jahre vorher der Niederländer Abel Tasman – ewiger Entdeckerkonkurrent – Australiens nördlichste Inseln erforscht und diese „Three Kings“ benannt. Heute spielt das alles keine große Rolle mehr. Für ausgewiesene Tauchfans zählen vielmehr das klare Wasser und die warme, subtropische Meeresströmung.

U-Boot-Tunnel
U-Boot-Tunnel

So geht es denn frühmorgens bei strahlendem von der kleinen Marina im noch kleineren Ort Tutukaka los. Steve, der Skipper, und seine Crew erläutern die notwendigen Regelungen der beiden bevorstehenden Tauchgänge. 18 Passagieren sind mit an Bord, davon 15 echte Taucher im Alter von 20 bis 70 Jahren.

Nach gut einer Stunde Fahrt im Full-Speed-Modus erreichen wir die erste der Felseninseln. Die Einfahrt in ein einem Becken ähnlichen, halbwegs geschütztes Gewässer erfolgt durch einen gigantischen Felsentunnel. Hiervon gibt es insgesamt vier, einer davon so riesig, dass sich während des Ersten Weltkrieges ein japanisches U-Boot darin verbergen konnte.

Tauchgang
Tauchgang

Rund 30 Minuten dauert es dann noch, bis die Taucherausrüstung angelegt, überprüft und freigegeben wird. Schwarzen Robotern ähnlich plumpst ein Unterwassersportler nach dem anderen in die Wellen. Und schon sind sie nur noch an den aufsteigenden Luftblasen ausmachbar. 25 Minuten später ist der Spaß erst einmal vorbei. Durchgefroren (frische frühlingshafte 15°C Wassertemperatur) und mit zerknitterten Gesichtern klettert einer nach dem anderen wieder an Bord. Heiße Getränke und Suppen sind von der Crew vorbereitet. Nach einer „Durchwärmstunde“ nehmen die meisten Unterwasserfans einen weiteren Tauchgang in Angriff. Manche allerdings haben immer noch mit der „Auftauproblematik“ zu kämpfen und bleiben lieber in der wärmenden Sonne sitzen.

Abseilen vom Heli
Abseilen vom Heli
Rettungsaktion
Rettungsaktion

Bis zu diesem Zeitpunkt verläuft der Boots-Tauch-Trip idyllisch problemlos. Auch der nahende Helikopter erregt eigentlich keine besondere Aufmerksamkeit. Erst als er dann doch längere Zeit über uns kreist, wird klar, dass es sich nicht um einen regulären Besuch handelt. Und schon gar nicht mehr, als sich dann ein Retter auf unser Schiff abseilt. Was vom Oberdeck her nicht bemerkbar war, erweist sich als Notfalleinsatz für einen kollabierten Taucher. War er zu unerfahren oder hat sich überschätzt? Ist er zu tief getaucht? Wir haben nicht weiter nachgeforscht. Beruhigende Informationen erhalten wir auf der Rückfahrt zum Festland. Es besteht keine Lebensgefahr mehr.

Vermeintliches Paradies und drohende Hölle können doch sehr dicht beieinander liegen.

Über die nördlichere Panorama-Straßen-Schleife gelangt man über die malerischen Orte Oakurea, Helena Bay oder auch Whangaruru – ein jeder sicherlich einen eigenen Urlaub wert – in die schon fast romantisch verklärte Gemeinde Russel. Historisch zeigt sie sich als einer der ältesten europäischen Siedlungsorte sowie als ehemaliges Walfang- und Handelszentrum. Viel Wert legt man auf den Titel „ehemalige Hauptstadt“, auch wenn dieser Spuk nicht mal ein Jahr lang dauerte. Hartnäckiger erhält sich ihr Spitzname „Hell Hole / Teufelsschlund“ wegen der unzähmbaren Kriminalität und der unzähligen Seuchenausbrüche in jener Epoche. Aber schön anzusehen ist die Stadt auf ihrer hügeligen Halbinsel.

Warawara-Hundertwasser-Toilette
Warawara-Hundertwasser-Toilette

Wo hat er eigentlich nicht gewirkt, der „Weltenbummler in Sachen Kunst“, Friedensreich Hundertwasser. Hier oben im „Far North“-Gebiet jedenfalls hat er nicht nur knapp 25 Jahre seines Lebens verbracht sondern auch sein letztes Werk erschaffen, eine von bunten Säulen umgebene, kunstvoll vielfarbige mit Keramikkacheln geschmückte öffentliche Toilette. Dem kleinen Marktflecken mit mexikanischem aber eigentlich Gold-Rush-Flair KAWAKAWA, in dem das stille Örtchen errichtet wurde, hat ihm denn auch gleich einen ganzen Park gewidmet und zur finanziellen Unterhaltung den „Park Charitable Trust“ gegründet. Obendrein verlieh ihm die „Creative New Zealand“-Gesellschaft dafür eine hohe Auszeichnung, den „Premier Award in Urban and Landscape Design“. Vielleicht könnte man eine solche Preisverleihung ja auch einmal bei uns einführen. Eventuell wäre dann so manche deutsche Kommune ihr „Stilles-Örtchen-Problem“ los.

Abendessen in verschwiegener Bucht
Abendessen in verschwiegener Bucht

Nach der Ruhe der Küstenfahrt stellen wir uns dem prallen touristischen Leben in dem früheren Fischerdorf, heute zentralen Seebad PAIHIA, bereits an der weltberühmten Bay of Islands gelegen. Da diese nördliche subtropische Region quasi „winterlos“ das Jahr überdauert, herrscht im neuseeländischen frühen Frühling (erste Hälfte Oktober) reges Touristentreiben. Die Infrastruktur ist ganz auf den Besucherstrom ausgerichtet. Die Preise sind es auch. Diese pittoreske Bucht mit seinen 170 Inseln (von insgesamt 700 für das gesamte Neuseeland) gilt als Top Ten der Weltsehenswürdigkeiten. Sicherlich spielt dabei neben den Vorzügen der Natur das historische Erbe, als „Birthplace of the Nation“ zu gelten, eine nicht unerhebliche Rolle.

Darüber berichten wir in der nächsten Folge.