On Tour 01-F/La SOMME: „Auch 100 Jahre später…“

Auf dem „Rundkurs der Erinnerungen“ an der Somme

Man stelle sich vor: Rund 3 Millionen Soldaten aus ca. 30 Nationen standen sich auf einer Länge von nur 45km Frontlinie gegenüber, hier in dem kleinen nordfranzösischen Département SOMME. Der Erste Weltkrieg (1914-1918) hat diesem, heute friedlich in der Maisonne ruhenden Landstrich der Picardie übel mitgespielt. Auf der einen Seite standen die Alliierten, allen voran die Franzosen und Engländer, später auch die Amerikaner, Kanadier, Australier und viele weitere Nationen, auf der anderen die Deutschen und ihre Verbündeten. Die entscheidenden Schlachten wurden hier ab Juli 1916 bis hin zur späteren Kapitulation Deutschlands (im November 1918) am gleichnamigen Fluss geschlagen.

Schützengrabenreste
Schützengrabenreste

Unsere Rundfahrt führt vorbei an außerordentlichen Gedenkstätten, Museen, Kampfplätzen und Friedhöfen, die das Andenken an alle Soldaten dieses Krieges pflegen.

Zwei hervorragende Museen gilt es zu nennen. In der Stadt PÉRONNE weist das „Historial“ dem Besucher den Weg durch vier Jahre Weltkriegszeit. Geschichtliches wie Alltägliches kommen zu Wort; das Leiden der Soldaten und Zivilbevölkerung nimmt dabei einen umfangreichen Platz ein.

dt. Soldatenfriedhof
dt. Soldatenfriedhof

Im „Musée Somme 1916“ des  Städtchens ALBERT wird der Besucher zehn Meter unter die Erde geführt, um dort in 250m Schutzbunkergewölbe „das Leben der Soldaten im Schützengraben“ nachempfinden zu lassen.

Überreste von ehemals durch Artilleriebeschuss ausradierten Dörfern, wie z.B. das „Ruinendorf“ FAY, säumen unseren Weg genauso wie der nunmehr eingefallene ehemalige deutsche Bunker „Le Gibraltar“ nahe der Ortschaft POZIÈRES.

Britisches Mahnmal
Britisches Mahnmal

Zum kriegswichtigen Transportmittel entwickelte sich die Eisenbahn. Auf historischer Strecke geht es von FROISSY nach DOMPIERRE. Diese Strecke diente den Alliierten als Haupttransportweg zur Versorgung der Einheiten in den Schützengräben.

Den entscheidenden Angriff 1916 leiteten die Alliierten ein durch die Explosion einer „unvorstellbar gigantischen Mine“ (Sichtweise 1916). Der daraus resultierende Krater mit seinen 91m Durchmesser und 21m Tiefe kann heute als „Lochnager Crater“ bei LA BOISSELLE zu Fuß umrundet werden.

Schier unzählige Monumente und Gedenkstätten zieren die Region. Jede Nation hat ihre eigene Gedenkstätte errichtet. Jetzt zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns sind sie natürlich besonders herausgeputzt. Allen voran ist die französische „Gedächtniskirche“ in RANCOURT zu nennen, ebenso wie der „Triumphbogen“ von PROYART. Nicht minder beeindruckten uns das britische Monument in THIEPVAL, die südafrikanische Gedenkstätte in LONGUEVAL sowie der australische Gedächtnispark in VILLERS-BRETONNEUX.

Lokalkolorit spiegelt das Denkmal für Soldaten aus Wales „Gallischer Drachen“ bei MARMETZ wider. Flügelschlagend streckt das knallrote Untier seine Krallen dem Feind entgegen, der sich im naheliegenden Wald verschanzt hält.

Ähnliches gibt es über das Monument für die Einheiten aus Neufundland zu berichten. Statt Drachen wurde hier ein Karibu, das Wappentier dieser kanadischen Insel, als Bronzestatue auf einen Hügel gestellt. Sein Schrei ertönt in Richtung der feindlichen Schützengräben. Zu finden ist es in BEAUMONT-HAMEL.

Zusätzlich bietet dieser Erinnerungspark, laut eigener Beschreibung der Parkdirektion, eine „bewegende und realistische Vision von dem Stellungskrieg, nicht zuletzt hervorgerufen durch ein heute noch begehbares und gut erhaltenes Netz an Schützengräben“.

Erheblich hautnaher schildert diese Situation der ehemalige Kriegsteilnehmer und große französische Schriftsteller Blaise Cendrars (1887-1961): „Wir konnten die Deutschen buchstäblich bei den Hörnern packen. Wir hielten eine kleine Stellung, die von der deutschen nur einige Sandsäcke entfernt lag. Man hätte sich mit den Bajonetten von einem Schützengraben zum anderen wie zu einem Schaschlik aufspießen können“.

Blaise Cendrars hat den Krieg überlebt. Viele Millionen andere Soldaten nicht (insgesamt 9.300.000 gefallene Soldaten). Einer von ihnen war das deutsche „Fliegerass“ Manfred von Richthofen, auch genannt „Der Rote Baron“. Vor seiner Überführung nach Deutschland war der Leichnam zeitweilig auf dem deutschen Soldatenfriedhof in FRICOURT bestattet.

Wer mag all die Gräber zählen auf den gut 500 Soldatenfriedhöfen nur in dieser Somme-Region (darunter 410 britische, 22 französische und 14 deutsche). Eine Besonderheit stellt der „Chinesische Soldatenfriedhof“ in NOYELLE-SUR-MER dar. China hatte zwar nicht an den Kämpfen direkt teilgenommen. Es schickte den Alliierten jedoch bis zu 90.000 zivile Mitarbeiter für Versorgung und späteren Wiederaufbau.

Spendenaufruf
Spendenaufruf

Wir wenden uns zum Schluss noch einmal dem Museum und Dokumentationszentrum „Historial“ in PÉRONNE zu, knüpft es doch eine besondere Verbindung nach Deutschland. In einer einzigartigen Ausstellung des deutschen Malers Otto Dix werden Leid, Schrecken und die zerstörerischen Folgen des Krieges in Kohlezeichnungen dargestellt.

Außerdem – mehr per Zufall entdeckt – wird unter den rund 70.000 Exponaten des Museums ein Plakataufruf an alle Einwohner Lübecks präsentiert: „Sammelt Knochen!“

Wir verabschieden uns aus dieser geschichtsträchtigen Region Nordfrankreichs und melden uns später wieder evtl. aus der Bretagne.