On Tour 13–IRL/Nordwesten „Freier Blick – nicht nur auf den Atlantik ”

Furchtlos
Furchtlos

Man mag es kaum glauben, aber es gibt in Irland doch von Hecken fast freie Landstriche. Endlich kann der Blick wieder in die Ferne schweifen, hier „oben“ in der Nordwestecke. Die Landschaft wird rauer und kahler, fast fjellartig mit schroffen Bergmassiven, noch nicht alpin aber immerhin. Unterstrichen wird dieser Eindruck durch mitunter fast kahle Berghänge, an den nur noch einige Schafe Futter finden, sowie hin und wieder durch einen plätschernden Wasserfall wie z.B.den Glencar Wasserfall etwas nördlich von Sligo. Selbstverständlich bleiben auch die Höherundwege mit freiem Atlantikblick ein Juwel. Der „Skyroad“ beim Küstenort Clifden gewährt Ausblick „fast bis nach Amerika“. Die „Slieve League Cliffs“ an der Nordwestspitze der Insel sowie der „Malin Head“ als Northernmost Point of Ireland stehen dem in nichts nach.

Malin Head
Malin Head

Und genau an diesem nördlichen Cap hat man mit großen weißen Steinen das Wort „EIRE“ auf grünem Rasen ausgelegt. Ein Einheimischer erklärte uns, dass es sich dabei um ein Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg handele. Gedacht war es für evtl. deutsche Bomberpiloten, die gen England flogen und vielleicht glaubten, hier beginne bereits britisches „Feindesland“.

Ein weiterer Nationalpark, der Connemara NP lässt nicht lange auf sich warten. Er sei besonders Wanderfreunden empfohlen, die unterwegs bestimmt die bekannten Connemara Ponys treffen. Gesäumt wird der Fernblick stets durch die „Twelve Bens / Zwölf Gipfel“, unter ihnen der „Heilige Berg“ der Iren. Croagh Patrick lautet sein Name nach dem Nationalheiligen. Wie überliefert soll der Heilige Patrick im Jahre 441AD dort droben in ca. 800m Höhe 40 Tage lang gefastet und gebetet haben. Die Zeitspanne kommt Bibelkundigen sicherlich bekannt vor. Jährliche Prozessionen auf den Berg erinnern an dieses Ereignis.

Galway Fußgängerzone
Galway Fußgängerzone

Städtebummler kommen in der nördlich-westlichen Inselecke gleichsam auf ihre Kosten. Wer Verkehrsgewühl und eine Stadtrundfahrt im Schritttempo liebt, begebe sich nach Sligo. Wenn man Glück hat, kann man die Stadt aufgrund des meist ruhenden Verkehrsflusses nach einer Stunde wieder verlassen.

Ein Ausflug nach Galway hingegen lohnt bereits wegen des feinsandigen, weitläufigen Strandes samt zwei Meilen langer Promenade. In der Innenstadt mit Fußgängerzone spielen zahlreiche Musikgruppen genussvolle „Pure Irish Drops“, das Touristengeschäft brummt. Da übersieht man dann leicht und schnell ein dunkles, stadtgeschichtliches Kapitel. Die tragische Geschichte  soll sich Ende des 15. Jahrhunderts abgespielt haben, als der damalige Bürgermeister Lynch, ausgestattet auch mit der absoluten Gerichtsbarkeit, seinen eigenen Sohn wegen Mordes zum Tode verurteilte und hinrichten ließ.

Freundlicher, vom Stadtbild und der Historie her, präsentiert sich der nördlichere Urlaubsort Donegal. Kleinstädtisch geprägt mit dreieckigem Marktplatz in der Ortsmitte lädt er zum Bummeln ein. Angenehmer wäre es noch, wenn sich nicht der gesamte Durchgangsverkehr dort auch hindurchzwängen müsste.

27 Sorten Bratwurst
27 Sorten Bratwurst

Hier am Markt haben wir durch Zufall einen Schlachterladen mit Bratwurstspezialitäten aufgespürt. 27 verschiedene Sorten bot er feil, alle frisch, lecker und preiswert. Gelernt habe er sein Handwerk in Deutschland, erläuterte Mr. Butcher, seine Kühltheke habe er 1974 in Frankfurt / Main erstanden. Sie funktioniere noch immer einwandfrei.

Selbstverständlich darf die obligatorische „Burg der Region“ nicht fehlen. Sie erhebt sich mitten in der Stadt. Über gut vier Jahrhunderte diente sie als Residenz des O’Donnells-Clans. Neben den üblichen Hinterlassenschaften weist sie aber zwei Besonderheiten auf. Zum einen kann man das „Stolper-Treppenhaus“ erklimmen. Dabei wurden die Stufen der Wendeltreppe uneben gestaltet, um feindliche Schwertkämpfer zum Stolpern zu bringen. Die Treppe windet sich im Uhrzeigersinn nach oben. Die bot den O’Donnells, die Rechtshänder waren, an den Treppenbiegungen den nötigen Platz, um die Feinde mit dem Schwert niederzustrecken, immer schön einen nach dem anderen. Mehr Platz war nicht!

Etwas „anrüchig“ liest sich hingegen die Story mit dem „Abtritterker“. Nie gehört den Ausdruck? Man könnte auch einfacher „mittelalterliche Toilette“ sagen. Nach nicht belegter Überlieferung musste in den offenen Abortschacht, der als „Plumsklo“ direkt in den Fluss führte, ein bestimmter Winkel eingebaut werden, so dass die Burgbewohner nicht von feindlichen Bogenschützen überrascht werden konnten.  Aha! Somit wird auch deutlich, warum in unserer Zeit in der Bahn, dem Flugzeug oder auf Schiffen nur mit „geschlossenen Systemen“ gearbeitet wird.

Lernen können wir aber noch von der zweiten Funktion der „Abtritterker“. Sie dienten nämlich auch als Kleiderablage. In den Wandlöchern war mit Stangen eine Bank befestigt, auf welche die Bewohner ihre Kleider legten. Denn man glaubte damals, dass die Kleider durch das im Raum wabernde Ammoniak des Urins desinfiziert werden. Fazit: Alles Bio, wozu brauchen wir chemische Reinigungen.

B&B neolithisch
B&B neolithisch

Wir bleiben noch ein wenig beim Historischen. Freie Blicke, im wahrsten Sinne des Wortes, bieten zwei historische Stätten mit Ausgrabungen und Funden aus den Jahren 4000 bis 2000 BC. Die bereits an der Nordküste gelegenen „Céide Fields and Cliffs“ zeigen entsprechende neolithische Mauer- und Siedlungsausgrabungen. Das ausgezeichnete Visitor Center ist gespickt mit nützlichem Informationsmaterial (auch mehrsprachig).

Knapp 100km nordöstlich erhebt sich der Steinkreis „Grianán Aligh“. Er könnte als Vorläufer alter römischer Arenen dienen. 23m im Durchmesser bot und bietet er als vorchristliche und später auch christliche Kultstätte in seinem Inneren auf drei Terrassen viel Platz für Zuschauer.

Torfstechen
Torfstechen

 

Als dritte „Historienstätte“ sei das Folk Village im Küstendorf Glencomcille erwähnt, leicht zu finden bei den oben erwähnten „Slieve League Cliffs“. Das Dorf beleuchtet die „jüngere Geschichte“ der dortigen Torfbauern aus dem 18./19. bzw. 20.Jh. Entstanden ist dieses Freilichtmuseum eigentlich aus der Not heraus. Eröffnet wurde es erst 1967 auf Initiative des damaligen Ortspfarrers James Mc Dyer hin. Als dieser 1951 in diese gottverlassene und armselige Region versetzt wurde, erkannte er schnell, dass die Bewohner außer Torfstechen kaum Möglichkeiten hatten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Folk Village
Folk Village

Eine stetige Abwanderung war die logische Folge. Diese Entwicklung konnte Pfarrer Mc Dyer durch das Museumsprojekt quasi als langjährige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und späteren Strukturwandel hin zum Tourismus zumindest erheblich eindämmen. Die Anzahl der Museumsbesucher legt Zeugnis vom Erfolg des Projektes ab.

Wir sind angekommen im Norden der Insel und damit auch am Ende des „Wild Atlantic Way“ am „Malin Head“. Politisch verlassen wir nunmehr Irland, geographisch und inselmäßig allerdings noch nicht. Die zu England gehörende Provinz „Nordirland“ ruft.

Irlandflagge P1120013Ach ja, eines wollen wir doch noch erwähnen, die Symbolik der irischen Flagge. Sie spricht eigentlich Bände über dieses von Eroberern, irdischen und kirchlichen, oft gequälten Volkes. Die drei Farben Grün, Weiß, Orange werden als „Symbol der Hoffnung“ angesehen.  Dabei steht das Grün erstens natürlich für die Natur, tiefgründiger aber für  die gälische bzw. frühere anglo-normannische Bevölkerung. Das Orange repräsentiert die protestantischen Anhänger von Wilhelm von Oranien. Das Weiß schließlich reflektiert den Frieden, der zwischen diesen Gruppen herrschte, sozusagen als Wink in die Zukunft.